Montag, 24. Februar 2014
Exkursion in die Gegenwart, Teil 1.

Auf dem Sofa brütend, die Schlangenbilder von Göbegli-Tepe im Kopf und die Zeit verlierend, stand plötzlich eine Frage im Raum: "wo sind sie hin?".
Ich reiste an den Ort, sah mich dort um, hätte ich vielleicht besser am Tag tun sollen denn es war doch schon recht duster, der Mond leuchtete klein durch die Regenwolken, Nieselwetter. Wo waren sie hin?
Was hätte ICH getan?
Ich hätte meine Koffer gepackt, und die Anderen ihrem Schicksal überlassen. Wer Macht kennt, weiss, dass Gegen Gewalt und Missbrauch, gegen Machtansprüche die sich aus höheren Quellen vorgeben zu speisen, nur ein funktionierendes Hirn, und damit eine funktionierende Emotion vorzugehen ist. Man kann bleiben, kämpfen und untergehen, oder gehen. Ein Schamane kann sich nicht unterwerfen, auch wenn er es noch so sehr versucht um die Seinen zu schützen. Wenn er das tut, versagt sein Körper, und er stirbt.
Also: wo waren sie hingewandert?

Und ich folgte der Spur der Zeit, ich sah sie wandern an die Küste eines Nordlandes im Westen... dem eigenen Gedächtnis folgend. Und zu anderer Zeit, ich weiss nicht ob später oder früher, sah ich Andere wandern nach Osten, durch ein weites, rauhes Land, mit ungewisser Zukunft im Gepäck, das eigene Gedächtnis bewahrend.
Im Aufwachen ins Jahr 2014 griff ich nach dem Buch, dass mein Mann, der Sucher, mir hinterhergetragen hatte weil es mir immer zu teuer war, und es sprach "sie sind dir näher als du vermutest". Mir fiel meine Jugend ein, das Erkennen meines Tuns in den Sandbildern irgendwelcher Indianer... was tat ich da eigentlich? Hier lag wohl der "Schlüssel zu meinem (nichtvorhandenen) Erfolg" begraben...?
Ich blätterte und fand die Schlangen von Göbegli-Tepe bei den Navajo, die sie als die vier Winde bezeichnen, das, was war, was ist, was wird, was wandert.
Und ich fand die "Füchse", den Kojoten, bei den Navajo.
Und ich fand die Spinne, das Symbol für die induzierte Inspiration, die Stimme der Geheimnisse. Bei den Navajo.
Ich fand auch die Frösche, das Navajo-Symbol für die Sippen der "Maispflanzer".
Und am Ende stand eine symbolische Darstellung der Navajo für grob gesagt das, was man "Hirnfunktionen" nennt. Ein Oval, geteilt in vier waagerechte Segmente.
Das einzige mir bekannte Volk, welches die Regenbogenschlange neben den Abos kennt, sind die Navajo, und auch für sie ist sie gleich dem Gesang der Menschheit, ihren Ursprüngen und ihren Wegen.
Die Sandbildmaler.

So also konnte man Geschichten erzählen.
So, wie der ältere Herr den Büchern einer Zeit aufgesessen war, in der man nach der nationalen Identität suchte.
So, wie der Wärter das Museum brauchte, um er selbst zu sein.
So, wie man Wegmarken hinterlässt um eine Spur zu legen für die, die einem folgen könnten auf dem Lied der Regenbogenschlange.

Grinsend blickte über den Tellerrand meines Mobilrechners hinaus und über meine Schulter das Eichhörnchen.
Und dann bekam ich Fieber.

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Freitag, 21. Februar 2014
Exkursion in die Vergangenheit, Teil 3.

Berlin, sagt man, ist immer eine Reise wert.
Nachdem wir aber endlich ein Parkhaus gefunden haben und vor dem "Neuen Museum" stehen, bin ich schon erschlagen, noch bevor wir überhaupt durch den Scannerbereich schlurfen. Wie, Karte abgelaufen, weil zuerst noch auf dem Klo und dann noch eine geraucht? Überall hängen tolle Schilder, die uns beide aber alles andere als klüger machen. Hightech für Menschen, die nicht Gedanken, sondern Qualitätsmanager lesen können. Ok, ja die Führung, sagte man uns, müsse man drinnen am Schalter bezahlen, und dann ist plötzlich alles durcheinander und die Oberin am Tresen... AMEN.
Mit dem Buch über Göbegli Tepe bin ich dank der langen Fahrt jetzt beinah durch, und heimlich brüte ich ein Ohmannipatmehum auf ein schwebendes Sofa.

Führung. "Von den Germanen bis ins Mittelalter". Zwei abgekämpfte Grabgänger und ein älteres Paar, kampfbereit der Archäologin die Stirn zu bieten. Ich kenne das: ist man erst mal Wissenschaftler im Kontakt mit Bildungsbürgern, bleibt kein Auge trocken. Vor allem meins nicht, und ich frage mich, warum der ältere Herr beim Wort "Merowinger" nicht Maria Magdalena erwähnt. Ich muss mir derart das Lachen verkneifen, dass es das erneute alte Phänomen beinahe überdeckt.
Schon im Saal mit den Alamannischen, Gotischen und Slawischen Fibeln und Schwertern merke ich, dass im nächsten Raum irgend etwas ist.
Beim Betreten des Merowinger-und-Karolingerraumes verglüht mir fasst jede Zelle. Ich habe keine Ahnung was das ist, aber es macht mich irre. Es ist wieder diese Art unsichtbares Licht, dass mich beinah vor Respekt und Ehrfurcht und Liebe in die Knie zwingt. Sehr viel stärker als bei der Schamanin am Tag zuvor. Es verstrahlt den ganzen Raum.
Als dann der nette grauhaarige Herr noch behauptet, Karl den Grossen hätte es ja nicht gegeben, bin ich heimlich empört, denn Einhard, sein Biograph, kam nachweislich aus meiner höchstpersönlichen Nachbarschaft. Die Archäologin allerdings will jetzt nur noch raus aus dieser Nummer, und spricht ganz ruhig:
"Karl den Grossen hat es DURCHAUS gegeben. Im Jahr 800 ist er in der Peterskirche zu Rom am offiziellen Grab Petrus´ vom Papst zum KAISER gekrönt worden (ätsch, aber Weihnachten 800 verbrachte er in meiner Heimatstadt), und hat von dort DIESE PLATTE mitgebracht. Das ist bewiesen. Und die Platte, die zur Brüstung vor dem Grab des Petrus gehört, ist ebenfalls ECHT."
Und dann ging sie einen Schritt zur Seite, die Platte wurde sichtbar, und mich erschlug es.

Coole Nummer für jemanden, der nicht einmal recht an die Existenz des "Petrus, Apostel und Stein, auf dem Jesus seine Kirche hat bauen lassen" glaubt.

Ich habe, ehrlich gesagt, nicht mehr so rechte Erinnerung an den Rest des Tages. Nachdem die Führung vorbei war, smalltalkte mein Mann noch ein wenig mit seiner Forums-Bekanntschaft (dessen Traumberuf Archäologe oder Grabungstechniker gewesen wäre, hätte er Abitur und/oder nicht das Kapitänspatent als nicht minder traumberuflerische Alternative gefunden), die freilich ihrem Unmut Bahn gab, da man ihre eigentliche Abteilung, das Neolithikum, noch wegen Umbau geschlossen hatte. Sie erklärte auch, dass sie frustriert sei von den neuerdings angestellten XXX (ich konnte mir die komische Bezeichnung nicht merken). Die hätten alle einen frischen Bachelor, von Tüten und Gebläsen keine Ahnung weil einfach zu grün hinter den Ohren, und jetzt hätte man den Salat. Als notorische Wissensvermittlerin fragte ich nur kurz "was für XXX?! Was ist das?" und dann erklärte sie es uns. Ich dachte nur kurz "hört sich an, als müsste ich da mal eingreifen, dieses Fach studieren und die Welt retten?", während mein Mann sich zu mir umdrehte, mich anstaunte und nur meinte "RIC, DAS IST... du solltest mal gucken, ob man das in Wü studieren kann."
Die Archäologin guckte etwas doof, weil sie nicht weiss, dass ich als Kommunikations-Designer im Messe- und Objektbau aufgewachsen war, leider aber die Kulturkritik und diesen ganzen Kram nie habe lassen können, dessen Wurzel mir schon im Studium durch einen Kommilitonen gelegt worden waren, der heute eher an lebendiges Gemüse erinnert (in meinem Alter sind die Kollegen entweder das oder haben Schlaganfälle, Herzinafarkte oder den Tod hinter sich, manchmal alles zusammen, ich bin da eher eine Ausnahme an Scheinmortilität, die weiss, warum sie sich einen Absprung wünscht und sich ins Vollzeit-Unterrichten sehnt).
Ich erinnere mich auch kaum an die Heimfahrt. Ich erinnere mich daran, dass mein Mann versucht hat, mit einem Parkticket aus Braunschweig eine Berliner Parkhaus-Schranke zu überwinden, und, dass wir Tränen gelacht haben. Ich erinnere mich daran im Stau gestanden zu haben, und mit meiner Mutter telefoniert zu haben, weil da ausnahmsweise kein Funkloch war. Ich erinner mich daran, dass wir geblitzt wurden. Und ich erinnere mich daran, dass mein Mann die Maulwurfshügel auf einem Autobahnparkplatz nach vorsinnflutlichen Artefakten abgesucht hat -- und ich Scherben von geblümten Porzellantassen fand.

Ansonsten erinnere ich mich nur noch an den Gedanken an Göbegli-Tepe, und dass der Schlüssel zu dieser Welt in zwei Richtungen gehen musste, nach Osten und nach Westen. Und dass ich dort hin muss, die Regenbogenschlange im Gepäck.

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Exkursion in die Vergangenheit, Teil 2.

Jahrelang bin ich dieser Nebraischen Himmelsscheibe hinterhergerannt, aber es passierten immer merkwürdige Dinge, die unsere Begegnung schlicht verhindert haben. Sollte so sein. Denke ich mal jetzt. Diesmal verpufften Termine im Wind, jetzt oder nie, dachte wohl das Seinsollen, und wie es dann so kommt: die Scheibe hatte ich ganz vergessen, als ich das Landesmuseum für Vorgeschichte Halle betrat. Keine 4 Stunden nach Goseck.
In der Cafeteria gabs leider keinen Schnapps.

Nein, der Rauswurf aus dem Paradies, so der Beginn der Sonderausstellung "3300 BC - mysteriöse Steinzeittote und ihre Welt", war kein Ponyhof. Wie wenig es ein Ponyhof gewesen sein muss, beweisen zertrümmerte, ausgebuddelte oder andersweitig gequälte Skelette, beweist die innovative Waffe dieser Zeit: die Keule. Was ich mit eigenem Körper habe sehen müssen, war also alles, aber keine Einbildung. Was mir die junge Frau sagt, die offenbar zu Tode geprügelt wurde, wage ich erst gar nicht auszusprechen.
Einen dunkelhaarigen Wärter mit kleinem Schnautzer, der neben einem konservierten Gruppengrab steht, frage ich erstaunt, ob die Knochen echt seien, denn da sei ja gar keine Scheibe?

Im zweiten Stock: alles, was die Nomadenkulturen ausmacht. Und wieder stehe ich vor einem Skelett mitten in einem künstlichen Birkenwald, und wieder fängt mein Körper an zu vibrieren, anders als vorhin, als sänge ein unsichtbares Licht. Vor mir erscheint ein Gesicht mit grünbraunen Augen und lächelt, und ich weiss: dieses Gesicht kenne ich, diesen Blick kenne ich.
"Was tut mein Körper denn an einem so nackten Ort?!" flüstert es wie im Schlaf, und ich denke "Wir lernen von dir." -- "Oh, das ist gut..." und schon schlief sie wieder.
Das Museum verfügt über eine exzellente Beschriftung seiner Stücke, also: wer war das? Und wen wunderts: Schamanin, 8-9000 Jahre alt.
Allerdings finde ich das Gesicht nur schwer wieder, das man aus ihr rekonstruiert und illustriert hat, der Vorhang vor ihrem Gesicht und die falsche Augenfarbe irritieren mich.
Und dann ist da noch das Original der "Dolmengöttin", an der wir vorbeikamen und sie besuchten, weil wir uns verfahren hatten. Göttin? Was man als Gesicht interpretiert, ist ein Oval, in der Mitte wie durch drei Striche in der Quere geteilt. Wenn das ein Gesicht ist, fresse ich meinen allerbesten Hexenbesen. Nein, das hier ist ein Wegweiser. Ein Stück einer Regenbogenschlange.
Eine Ecke weiter stehe ich fasziniert vor der Installation eines projizierten Feuers, und lese alte Griechische Texte, die Opferriten beschreiben. Die findet man selten genug, ich freue mich darüber wie ein Kind, und der dunkelhaarige Wächter mit dem kleinen Schnautzer lächelt.

Im dritten Stock: gehen mir langsam die Kräfte aus. Die Füße tun mir weh, mein Körper schreit nach Ruhe vor all diesen toten Knochen und Dingen, und als mein Körper zum dritten mal merkwürdige Dinge erlebt, beschließe ich zu gehen. Mir irgendwo eine Bank zu suchen.
Und dann kommt mein Mann, im Schlepptau den dunkelhaarigen Wächter mit dem kleinen Schnautzer, der über beide Backen strahlt. Mein Mann packt mich aufgeregt und schiebt mich in die falsche Richtung. "Da drüben ist sie!!!". "Passen Sie auf, da drinnen ist es dunkel, ich komm der Sicherheit halber mal mit" sagt der Wächter. Mein Mann zerrt mich eher als dass er schiebt, hinein in die Dunkelheit, achtung nicht hinfallen oder wo dagegenrennen. Da schwebt sie, die Himmelsscheibe, die ich längst vergessen hatte. Sie hat keine Frequenz. Sie ist ein reines Werkzeug. Sie wurde nicht mit irgendwas aufgepumpt. Man hat sie beerdigt, als man ihren Besitzer entmachtet hat. In Wirklichkeit hatte er überhaupt keine Macht über die Sonne, die verschwand ohne sein Zutun, und so sehr er sich anstellte, sie kam auch durch ihn nicht zurück.
Der Wächter beginnt zu erzählen und zu erzählen. So viele Jahre hätte er diese Scheibe schon vor der Nase, aber er könne sich immer noch nicht sattsehen daran.

Fünf Stunden sind vorbei, das Museum schließt, ich muss ins Auto und mich setzen, eine Rauchen oder fünf, mein Mann hat Hunger auf Griechisches Essen, ich weniger, aber das macht nichts. Nach dem zweiten geschlossenen bzw. ausgebuchten Griechenrestaurant bleiben wir in einem Asia-Laden hängen, und ich kriege endlich meinen ersehnten SCHNAPPS.

Zurück in der Ferienwohnung packe ich endlich das Symbole-Buch auf, dass mein Mann mir gestern hinterher getragen hat. Das ich nie gekauft habe, weils mir einfach zu teuer war.
Das Eichhörnchen jetzt noch anzuquatschen, das aus dem Buch grinst ohne aufgeschlagen zu sein, ignoriere ich. Ich bin einfach zu platt, und draußen stürmt es wie Sau.

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Mittwoch, 12. Februar 2014
Exkursion in die Vergangenheit, Teil 1.

"Und neulich war sogar ein Schamane oder sowas da, und hat so Rituale abgehalten..." sagte die Dame an der Kasse, die ich anhand der Doku-Fotos eindeutig als eine der Personen identifizieren konnte, welche die Kreisgrabenanlage von Goseck rekonstruieren half.

Und ich denke: so viele Schamanen oder sowas gibts gar nicht auf der Welt, die das dort geschehene Unrecht wieder gut machen könnten. Aber vielleicht hilft´s ja doch? Ich weiss es nicht.

Ich hatte von der Kreisgrabenanlage schon gehört und gelesen, allerdings zu einem Zeitpunkt, als man sie gerade frisch ans Tageslicht befördert hatte. Nachdem mittlerweile aber viel Wasser den Main, die Thüringische Saale (und ich betone: die "Thüringische", weil, es gibt auch eine "Fränkische Saale") und die Unstrut hinabgeflossen ist, steht der Rekonstruktionsbau in voller Pracht und Blüte mitten in der Landschaft.
Ich weiss nicht, wie viele Kreisgrabenanlagen, Keltenschanzen, Hügel- und Großsteingräber ich schon besucht und dort merkwürdiges über mich ergehen lassen habe, aber zum ersten Mal erlebte ich ein Szenario, wie ich es nur in sehr schwacher Form nur von den Externsteinen kannte (ein paar verzweifelte Selbstmörder und halbnackte sehr flinke Kletterer etc.). Ich mit meinem merkwürdigen "Boden-Radar-Gestell" von Körper, das als "Karma-Surfer" beständig irgendwie zur Hälfte in einer anderen Dimension pappt und so die Beschreibungen der ägyptischen Totenbücher hin und wieder mal leibhaftig miterlebt, bin ja so einiges gewohnt. Aber was ich dort erlebte, übertraf alles Bisherige.
Ich sah die Tötung von Tieren, Unmengen Blut, allerdings von schwarzen Rindviechern, die Sklaven gehörten, die man Menschen nicht nur wegnahm sondern ihnen im Namen der wiederkehrenden Sonne mehr oder weniger stahl, und diesen Menschen so ihre Lebensgrundlage nahm, jede Chance auf Nahrung und Zukunft. Sklaven hatten diese Anlage erbaut, geknechtete, gequälte Menschen, zur Sühne, und am Schlimmsten traf es den ersten Dieb aus Hunger, der zerstückelt als Fundamentsopfer hatte dienen dürfen. Ich horte einen Mann sprechen "Ich bin der Mittler zu den Sternen, und ich kann euch die Sonne nehmen, wie es mir beliebt, wenn ihr nicht tut, was ich sage." -- und die blanke Angst herrschte. Das Begehen der Anlage schlug mich fast zu Boden, wie ein Hammer drückte ein bleiernes Gewicht auf meinem Kopf, ich musste mich regelrecht gegen eine Wand stemmen, um überhaupt vorwärts zu kommen. Erst nach dem Verlassen des inneren Kreises spürte ich etwas abseits das Grab eines verhungerten jungen Menschen, vielleicht eines Kindes? Und erst im Umgang gab es Frieden. Im Umgang war alles gut, ich bekam wieder Luft, und mein Schädel wollte auch nicht mehr explodieren.
Was war hier passiert!? Habe ich einen Dachschaden, fragte ich mich, und sagte man nicht, dass die "Neolithische Revolution" des Ackerbaus der Segen der Menschheit gewesen sei? Sklaven? Menschen, die ihre Macht derart missbrauchten, dass sie einfach so andere Menschen töten konnten? Dieser Mann, diese Stimme, die ich so deutlich hören, spüren und fassen konnte als hätte ich die Worte selbst ausgesprochen, war kein Schamane. Diese Geilheit auf Macht, diese Freude darüber, Andere wie Marionetten "lenken" zu können... ich war schlicht entsetzt.
Als ich anschließend im Auto saß, stand ich wie unter Schock. Mir war speiübel. Und war glücklich, nicht selbst fahren zu müssen und eine Sitzheizung anschalten zu können. Ich beneidete meinen Partner, der mit diesen Empfindungen und Erlebnissen nicht leben muss. Aber damit nicht genug.
Jemand wie ich geht ja ständig mit der Frage durchs Leben, ob man nicht einfach nur einen an der Klatsche hat. Und wenn nicht, warum das dann so sein muss. Und sucht fieberhaft nach den Grabungsberichten.
Im nahen Infozentrum starrte er mir dann entgegen, der Grabungsplan. Stieropfer. Eine Hand und andere Körperteile, u.a. im Pfostengraben. Etwas diagonal versetzt das Grab eines Kindes. Mein "Radar" funktionierte also korrekt. Kein Grund, am Rest zu zweifeln. Und freilich: wissenschaftlich unhaltbar. Aber ich habe ja kein Problem mit der Wissenschaft, wenn, hat sie eins mit mir.
Und was die Archäologie zur Verifizierung oder Widerlegung meines Erlebten sagen würde, wusste ich an diesem Tag noch nicht. Mir war klar, dass der Ackerbau nicht unbedingt zur Glückseligkeit des Menschen beigetragen haben mag, aber dass es derart schlimm sein könnte, hätte ich mir in meinen schlimmsten Träumen nicht ausgemalt.
Zumal gerade ein Ort wie Goseck mit dem Nimbus des Heiligen, des Fruchtbaren, des Guten assoziiert wird (auch wenn die Wissenschaftler das so nicht sagen, der unbedarfte Leser nimmt das einfach an, sobald irgendwo das Wort "Kult" oder "Religion" auftaucht).

Ein Ort wie dieser sollte erkannt werden als Mahnmal... an Orten wie diesen begannen Menschen, sich gegenseitig zu versklaven, zu quälen, zu töten, zu missbrauchen, alles im Namen der Sonne, von der man nun abhängig war, denn das Jagen hatte man längst verlernt. Von was hätten sie auch leben sollen, wenn nicht vom Acker? Hilflose Kreaturen. In Unkenntnis abhängig. Verzweifelt. Und: viele. Ein Ort wie dieser ist nicht anders zu beschreiben als "innerster Kreis der Hölle".
Und auf meiner Reise war das: erst der Anfang.

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Mittwoch, 5. Februar 2014
Stündli Hiero.

Eigentlich müsste ich ja jetzt in Arbeit vergraben ein Script zum Thema "Helden" fertigstellen, es sind nur noch 5 oder 6 Bilder die fehlen. Wie so oft ist der Schluss zwar via Notiz anwesend und "schlüssig", aber trotzdem fehlt mir der Kopf, mich selbst als die "Heldin des Zeichentisches" zu sehen und entsprechend zu handeln, zu denken, zu fühlen. Als Zeichner ist man immer auch der Schauspieler, in den man sich hineinversetzen muss. Fällt mir im Moment nicht so einfach. Und ausserdem is der Kaffee jetzt kalt.

Wahre Helden kochen sich ihren Kaffee selber.
Wahre Helden starren nicht auf ihre Tastatur und grübeln, die machen einfach.
Und wahre Helden machen sich auch keine Gedanken darüber, warum sie Woche für Woche einen Blog zumüllen.
Wahre Helden tun, und quatschen nicht lang herum.

Also Kaffee holen.

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Mittwoch, 29. Januar 2014
Lehre Gräber.

Da gäbe es viel zu schreiben über Hierarchien und Inkompetenzen und Pyramidenstrukturen. Es gäbe viel zu schreiben über das, was Macht eigentlich ist. Und warum das letzten Endes alles nur die Folge des Handelns gegen unsere Natur ist. Mit der Frage, die ich zu müde bin zu stellen: wozu? Meine Antwort: weil er kann. Einen tieferen Sinn hat das Ganze nicht.
Der Mensch fliegt auf den Mond, sagt man, weil er wissen will. Der Mensch will immerzu wissen, woher er kommt, wohin er geht, und welchen Sinn das ganze Leben überhaupt hat, er schreibt Bücher dazu und hat die Philosophie entdeckt, die jene Antworten sucht, die aus dem Kaffeesatz nicht zu lesen sind.
Um dann am eigenen Wort-Durcheinander immer aneinander vorbeizureden, Wissenschaften zu kultivieren, Wortbedeutungen zu kultivieren und all solche Dinge. Aber in Wirklichkeit sind alle Wort nur Bilder, die Bilder selbst stehen für Bedeutungen, die stark an das Gefühl der Wahrnehmung gebunden sind.
So hat Höhlenmalerei keinen religiösen Zweck. Sie hat überhaupt keinen Zweck. Es sind einfach Bilder, gesehen, gespürt, gemalt. Sie entspringen so einer Intuition, die eben entsteht, wenn man draussen ist, und nur der Teil eines Ganzen. Auf diesen Wänden, sagt man, sind nur selten Menschen zu sehen.

Der Mensch wird ein Ganzes, wenn er malt. Wenn er seiner eigenen Spur folgt, wie ein Kind, und es geht dabei nur und ausschließlich um die eigene Spur im Sand, mit der man entdeckt, wer man ist irgendwie in dieser Welt. Solcherlei malend scheint sichtbar zu werden, dass es gar keine Rolle spielt, wo man seinen Platz hat, denn dieser Platz ist überall da, wo man eben gerade ist.
Die Frage nach dem Kommen und Gehen ist aber eine Frage, die nur entsteht, wenn man den eigenen Platz nicht kennt, nicht spürt. Wenn man nicht aushalten kann, dass das eigene Ego nicht die Krone der Schöpfung ist, sondern wir nur ein Teil von etwas sind. Und ich kann das nachvollziehen. Den Wunsch, einen Plan zu kennen, mit dem das Leben irgendwie funktioniert.
Und somit ist die Kunst, die wir betrachten, nichts weiter als die Spur anderer Menschen, die wir vielleicht lieben, weil wir der eigenen Spur im Sand unfähig sind, weil wir nach den Aussagen versuchen zu greifen, weil wir entdeckt haben, dass auch das: möglich ist. Die "Aussage eines Bildes" sozusagen.
Aber der, der malt, hat keine Aussage.
Man hat nur irgendwann gemerkt, dass Bildzeichen zum dokumentieren, verwalten und zählen taugen, und dann daraus wiederum die Möglichkeit zur Schrift entdeckt. Mit der man noch ganz andere Dinge festhalten kann. Gedanken. Gefühle, Poesie. Gesetzestexte. Heilige Schriften. Geschichten. Die versuchte Antwort auf das, wohin wir gehen, woher wir kommen, und was das alles soll.
Und weil das so ist, und weil der Mensch so auch gelernt hat Städte zu bauen, Arbeit zu teilen, Krieg zu führen, Gesetze zu haben, glaubt er sich als etwas besonderes. Besser als die Welt selbst, weil er Dinge selbst geschaffen hat.

Aber sieh die Vögel auf dem Feld, sie sähen nicht, sie ernten nicht, und dennoch haben sie genug. Sieh die Lilien auf dem Feld, sie kaufen ihre Kleider nicht im nächstbesten Outletflagshipstorediscounter.
30.000 Jahre Menschheitsgeschichte hinweggefegt durch ein paar Jahrhunderte überlegene Zivilisation, Kultur, Religion, Wissenschaft und Technik. Aber jeder von uns erinnert sich an das was war, und nennt es daher Paradies, Garten Eden, wie auch immer, und leidet.
Und ist unsagbar glücklich, wenn er die Hände in den Boden stecken und pflanzen kann, in einem Zelt schläft und Beeren von Büschen sich direkt in den Mund schiebt. Wenn er mit Stöcken im Sand Linien malt und zum Baden in einen See oder Fluss springen kann. Oder wie ich letztes Jahr auf dem Rücken im warmen Meer schwimmt und den Sternenhimmel betrachten kann (wobei es ein Baggersee auch tut).

Früher fragte ich mich, warum man Dinge wie die Anlagen bei Gülepi Tepe oder die Eingänge zur Pyramide in Ex-Jugoslavien zugeschüttet hat, zu einer Zeit, als die Zivilisation noch in den Kinderschuhen steckte, aber spürbar war. Warum die Schule des Kosmos an den Externsteinen verschwand. Und warum meine Mutter, die Lilith, auswandern musste in Gestalt eines Dämons für die, die in festen Regeln leben und das Erben, die Gesetze kennen und aufschrieben. Warum man Jesus als ihren Sohn bezeichnet. Warum Christen einen Text haben, den sie "Apokalypse" nennen. Warum es die Legende vom Wissen der Welt gibt, dass in den Pyramiden von Gizeh archiviert ist, ohne dass man auch je einen einzigen Papyrus gefunden hätte.
Und dabei liegt das alles doch auf der Hand, und die Antwort auf all diese Fragen schon so lange zu kennen, trägt seltsames Leben in sich, es fühlt sich an wie Knospen, die nur auf die Gelegenheit warten, auszutreiben.

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Mittwoch, 22. Januar 2014
Der Zinn des Lebens.

Wie ist das eigentlich mit den Dingen, die man – so schicksalsmässig a la Hiob – lernen muss? Wenn "Gott" die Gesamtheit aller kosmischen Gesetzmässigkeiten ist, von der Schwerkraft über die Relativitätstheorie bis hin zur Genetik und / oder dem Urknall selbst, hat das ja alles nichts mit Gutmenschentum zu tun. Der Mensch hat eine interessante Neurologie, die völlig auf Lernen und Individualität gebürstet ist, und ich sehe das jetzt mal eher als den entscheidenden Hinweis über den Sinn des Lebens, und warum der die Religion so gern missbraucht.
Eva als Erste, die sich die Erde nicht untertan machte und auf Entdeckertour im wissenschaftlichen Sinne war, sondern mittels Getreide und Viehzucht ins Ökosystem eingriff, weil die Folge die Sesshaftigkeit war, die zur Bevölkerungsexplosion führte, welche, wie wir wissen, zur Ausbeutung dieses unseren Planeten führte? Was wiederum dazu führte, dass man lernen musste auf die eine oder andere Art zu verhalten?

Der Mensch an sich ist korrumpierbar, manipulierbar, lockbar, konditionierbar. Wäre das anders, gäbe es weder Wirtschaft noch Moral, keine Ethik, keine Religion, speziell keine "Religionskriege". Bräuchte es auch gar nicht.
Neben der dauernden Frage "wie man sich korrekt verhält" (was ja von Jahrhundert zu Jahrhundert immer mal anders ausfällt, genauso wie von Kulturkreis zu Kulturkreis). Je mehr ich nun aber lerne, wo ich korrumpierbar, manipulierbar und konditioniert bin, wird mir bewusst, welchen Schaden das eigentlich an mir und meinem Leben anrichtet. Und was passiert, wenn ich das ablege: das Leben bewegt sich von alleine in eine andere Richtung.

Ich müsste seit drei Tagen oder mehr endlich meine E-Mail abholen und bearbeiten. Mach ich aber nicht. Weil ich grade eben halt mal weg bin. Dinge aufarbeiten und so richtig überhaupt nicht funktionieren.
Weil meine Seele irgendwie von den inneren wie äußeren Reiseaktivitäten der letzten 4 Wochen noch nicht nachgekommen ist, und gar keine Zeit hatte, hier bei mir anzukommen.
Das einzig "korrekte Verhalten" ist nicht das des Gutmenschen, des Erfolgreichen, des Mächtigen, des Gläubigen oder des Engagierten. Auch nicht das dessen, der seine Pfilcht erfüllt. Vermutlich ist es einfach nur das Erkennen dessen, was es zu lernen gibt, knallhart, um man selbst zu werden. Das Gegenteil also von Kuschelweich, da muss man durch. Gebären wie geboren werden ist schließlich auch kein pinkfarbener Traum in soften Gefilden, sondern ein weggedrückter Schock für alle, die glauben, dass man sich damit einen Traumplan erfüllen kann.
Und je mehr ich erkenne, wie die wirkliche Welt funktioniert, wie das Züchten von Vieh mit dem Züchten von Verhaltensregeln einher geht, wie das Magnetfeld der Erde mit Raum und Zeit verwoben sind, was Quantenphysik sein könnte und was Engel sind, desto schlimmer wird es mit der Gegenwart und seinen Menschen. Als stände man in einer Masse Gläubiger, die vor lauter Kirche den lieben Gott nicht erkennen. So als Bild, übertragbar auf alles Andere.

Aber vielleicht bin ich auch nur urlaubsreif.

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Freitag, 17. Januar 2014
"Hanna´s Reise"

Eine Sneak, ein Film, ein Bewertungszettel -- immer wieder nett. Nebenbei der Satz "die nehmen Drehbücher in erster Linie nur von Leuten, die sie kennen, weil sie auf bewährtes Zeug setzen", der das alles übertüncht Und nach dem Film denke ich: "genau das is das Problem, denn das "Bewährte" funktioniert eben nicht".

Der Film "Hanna´s Reise" (und mir jetzt egal ob sich Hannah mit oder ohne H schreibt) ist so ein Beispiel: eigentlich extrem interessanter Ansatz, aber leider völlig vergurkt. Nicht nachvollziehbare Personen, Epik an der falschen Stelle, eine Geschichte mit vielen Chancen, die alle nicht genutzt wurden. Und ich verstehe endlich, warum Lothar Schöne sagte "Leute, die Drehbücher auf ihre Macken untersuchen sind heiß gesucht".
Die Schauspieler: super. Weniger super: die zweimalige Ansicht des Münchner Hauptbahnhofes Südausgang, um zu zeigen "Berlin". Oder hab ich da was an den Augen?
Der Heute-Bezug: lauwarm. Der Gestern-Bezug: undefiniert. Das persönliche Schicksal: nicht ausgearbeitet. Die Liebesgeschichte: nicht nachvollziehbar. Ein Ende: hat die Story nicht.
Unterhaltung kommt so nicht auf, der Film ist durch die vielen Lücken in der Konsistenz anstrengend, wenn auch nicht ganz so anstrengend wie die Epik in Fassbender-Filmen oder Thomas-Mann-Verfilmungen.
Als Roman funktioniert diese Erzählweise prima, auch weil gewisse Dinge, die nunmal Zeit brauchen, darstellbar sind. Aber der Film arbeitet mit völlig anderen Mitteln, anderen Bildern. Was sich gut liest, ist nicht unbedingt gut im laufenden Bilderdialog und umgekehrt.

Nun kann man sagen: aber er bildet doch die Realität einigermassen ab? Ja nu: in der Kunst geht es nicht um das Abbilden, sondern um das, was hinter der Realität steht.
Und ich bete, dass ich in meinen eigenen Geschichten diese Fehler der Inkonsistenz durch zu viel Realitätsabbildung in den Griff kriege und unterlasse.

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Dienstag, 14. Januar 2014
Deutsche Version.

Dass so manches Buch über schlechte oder gar falsche Übersetzungen stolpert, ist dem erfahrenen Leser eigentlich nichts Neues. Und nein, ich meine ausnahmsweise mal nicht die Bibel, nicht einmal die Bibel der Zeugen Jehovas, die direkt aus dem Englischen in 365 Sprachen übersetzt wird, und daher die aktuellste und genaueste.
Was das Gedruckte betrifft, betrifft aber auch den Film.

Vor Jahren stolperte ich über die Verfilmung von Shakespeares´ "Der Widerspenstigen Zähmung" von Zefirelli, allerdings in der englisch-sprachigen Originalfassung. Liz Taylor und Richard Burton in einem Screwball-Prügelwerk der Extraklasse. Und weil mein Süsser Shakespeare-Verfilmungen sammelt wie andere Männer das Kicker-Magazin, den Film aber nicht kannte, dachte ich, naiv wie ich halt bin: mensch, den leihste dir jetzt mal aus. Und guckst dir die sychronisierte Fassung an, weil dein Süsser Untertitel-Filme nicht so leiden kann.
Und dann kam das Desaster.

Richard Burton war in einer Tour am hämisch-gackern, das Manifest für die Ehrlichkeit der Liebe wurde zu einem Manifest für die Unterwerfung der Ehefrau, und vom Witz des ganzen Stückes blieb: nichts. Ich begann an meiner Wahrnehmung zu zweifeln, und starrte nur ungläubig auf den Fernseher, während mein Süsser in einer Tour maulte "was ist das denn für ein lanhmer Mist?!".
Ich war entsetzt. Was war da passiert um himmels Willen?

Nun: Probe auf´s Exempel.
Nachdem DVDs ja mehrere Tonspuren haben, und man sie wahlweise mit X Untertiteln gucken kann, starteten wir den Film neu. Auf Englisch. Deutscher Untertitel. Und oh Wunder: Das Gegacker fehlte, der Wortwitz existierte wieder, aber das schlimmste: sogar meinem nur rudimentär englisch sprechenden Süssen fiel nach 5 Minuten auf, dass die Hälfte des Films: falsch übersetzt war.
"Der hat doch grad was ganz anderes gesagt als da unten steht!" wunderte er sich.

Mich wundert es also nicht, dass die Zefirelli-Verfilmung der "Widerspenstigen" kaum einer kennt.
Was ich aber für äußerst fragwürdig halte, ist die Nummer mit der falschen Übersetzung für die auch noch miserable Sychronisation (Richard Burton gackert in der Tat nicht), und ich frage mich ernsthaft, ob uns dies noch in anderen und wie vielen Filmen zugemutet wird. Denn interessanterweise gibt es Filme wie eine Version des "Don Quixote", der in der deutschen Version ganze Passagen schlicht fehlen, erkennbar an der fehlenden Synchronisation. Im englischen Original gibt ein Häftling zu, Kinder missbraucht zu haben – in der deutschen Fassung freilich sagt er das nur auf Englisch. Mitten in der Szene (dass ganze Szenen dem Schnitt aus Zeitgründen zum Opfer fallen ist ja nichts aussergewöhnliches, aber dass nur ein Satz gestrichen wird – und auch noch ein so merkwürdiger – stimmt mich doch nachdenklich). Nur so zum Beispiel. Man bekommt den Eindruck, das Thema Ehrlichkeit in Gefühlsdingen wie das Thema Kindesmissbrauch dürfe dem deutschen Zuseher nicht zugemutet werden, als wäre es ein Tabu, das Eine wie das Andere, da es sich um potenzielle die heilige Leit-Kultur zersetztende Dinge handeln könnte.
Wie viele Bücher und Filme sind diesem Phänomen noch zum Opfer gefallen (abgesehen von "Harry Potter")?

Wozu brauchen wir eine "Zensur", wenn die schon in der Übersetzung ansetzt? Man muss nur mal überlegen, dass die deutsche (Geistes-)Wissenschaft nichts liest und anerkennt, was nicht übersetzt ist (ich musste mir lange blöde Sprüche anhören, weil ich englische Fachbücher las, ganz nach dem Motto "aber kannst du das denn überhaupt verstehen?"). Das hat sicher auch so seine Gründe.
Aber ich frag jetzt mal lieber nicht, welche.

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Montag, 30. Dezember 2013
Asylwünsche.

Das Jahr 2013 war ein echter Hammer: Statistisch gesehen drei Tote, unzählbare sehr merkwürdige und halb- bis tödliche Krankheiten, Amputationen und Reha-Massnahmen, der übliche Kram eben, wenn der Kosmos einem ein Lernziel um die Ohren haut. Kaputte Autos, Wasserrohrbrüche, kaputte Hauptplatinen, irre gewordene Telefonfirmen, geborstene und abgebrannte Schiffsmotoren, aber auch andere kleine Wunder, die einem durch gewisse Erkenntnisse passieren können. Nur fertig ist irgendwie nix.

Nun kommt noch – in meinem Fall – der Abfall vom Glauben dazu: da brüsten sich die fränkischen Winzer mit ihren eigenen überteuerten Weinen, und die Bayern erst recht mit ihrem Labberkäse. Nur immer hübsch mild alles. Und beim Nachtisch nur nicht zu süß. Möglichst reizfrei also, damit nix den schläfrigen Alltag aus Vollzeit-Hausfrau mit Vollzeit-Ehemann stört, alles hübsch funktional und katholisch.
Und bislang hab ich selbst den fränkischen Wein hoch gehalten – als wär´s der Wahrheit letzter Schluss.

Doch wie das Schicksal so will: ich kam hier raus, und entdeckte, dass die Türken die Meister im Süßkram-Basteln sind und – wer hätts gedacht – einen hammermässigen Wein brauen können. Nur mit dem Käse hauts da noch nicht so hin. Das haben in meinen Augen die Briten und Norddeutschen übernommen. So, wie das wohl beste Brot mittlerweile auch nicht mehr aus Bayern kommt, sondern aus Seattle ("wir können auf Innovation setzen und müssen nicht der überkommenen Tradion verhaftet bleiben, weil wir keine haben").
Mein Erstkontakt mit einer Lüneburger und Tags darauf einer Geestachter Käsetheke hat mich vom Glauben abfallen lassen. "Frieslander" nennt sich die Krone der Schöpfung, eine Art Parmesan mit Blauschimmel. Zu geniessen in homöopathischen Dosen. Zudem haben die Lüneburger seit dem MA eine Marotte: sie kaufen besten französischen Landwein aus dem nördlichen Grenzgebiet zu Spanien, füllen ihn in Flaschen, und nennen das Zeug dann "Rotspon" ("spon" = Fass). Der "Lüneburger Rotspon" ist also ein katalanischer Franzose, und so ziemlich das Beste, was nach meinem Ermessen je mein Weinglas befüllt hat und unter 6 Euro zu haben ist. Selbst wenn die Lüneburger keinen Wein anbauen: sie wissen, was gut ist. Insofern kein Wunder, dass in einer durchschnittlichen Weinkarte dort auch nur ein sehr speziell guter Lagen-Franke auftaucht, der sogar hierzulande recht unbekannt weil nicht supermarktfähig ist. Offenbar zu viel Aroma.

Ich bin Künstler, Weintrinker, Käseesser, Kettenraucher und sowas. Und immer wenn ich mal rauskomme aus Bayern, fällt es so gravierend auf, dass die Bayern Geld, aber keinen Sinn für Kreatives oder gar Kunst haben, das beste Bier aus dem Elsass kommt und mein Lieblingswein aus Frankreich, dass ich mich hier immer wieder blöd anmachen muss weil ich nur Teilzeit-Hausfrau bin, als Raucher zwar Tabak-Steuern zahlen darf der den "Kampf gegen den Terror" finanziert, aber ansonsten kriminalisiert werde, den Zucker im Kuchen suchen muss und man mir weissmacht, der Blaue Bavarese* sei der einzig seligmachende Käse neben Maigouda und bayerischem Vollfettstufencamembert.
Das schreit unterm Strich nach Asyl.
Bayern wäre bestimmt froh, wenn es mich mal wieder los hätte.

* Bezeichnung aus Copyrightgründen geändert

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bei diesem text. da muss ich mich räuspern. entschuldigung.
by don papp (10.01.15, 21:18)

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