Freitag, 21. Februar 2014
Exkursion in die Vergangenheit, Teil 2.

Jahrelang bin ich dieser Nebraischen Himmelsscheibe hinterhergerannt, aber es passierten immer merkwürdige Dinge, die unsere Begegnung schlicht verhindert haben. Sollte so sein. Denke ich mal jetzt. Diesmal verpufften Termine im Wind, jetzt oder nie, dachte wohl das Seinsollen, und wie es dann so kommt: die Scheibe hatte ich ganz vergessen, als ich das Landesmuseum für Vorgeschichte Halle betrat. Keine 4 Stunden nach Goseck.
In der Cafeteria gabs leider keinen Schnapps.

Nein, der Rauswurf aus dem Paradies, so der Beginn der Sonderausstellung "3300 BC - mysteriöse Steinzeittote und ihre Welt", war kein Ponyhof. Wie wenig es ein Ponyhof gewesen sein muss, beweisen zertrümmerte, ausgebuddelte oder andersweitig gequälte Skelette, beweist die innovative Waffe dieser Zeit: die Keule. Was ich mit eigenem Körper habe sehen müssen, war also alles, aber keine Einbildung. Was mir die junge Frau sagt, die offenbar zu Tode geprügelt wurde, wage ich erst gar nicht auszusprechen.
Einen dunkelhaarigen Wärter mit kleinem Schnautzer, der neben einem konservierten Gruppengrab steht, frage ich erstaunt, ob die Knochen echt seien, denn da sei ja gar keine Scheibe?

Im zweiten Stock: alles, was die Nomadenkulturen ausmacht. Und wieder stehe ich vor einem Skelett mitten in einem künstlichen Birkenwald, und wieder fängt mein Körper an zu vibrieren, anders als vorhin, als sänge ein unsichtbares Licht. Vor mir erscheint ein Gesicht mit grünbraunen Augen und lächelt, und ich weiss: dieses Gesicht kenne ich, diesen Blick kenne ich.
"Was tut mein Körper denn an einem so nackten Ort?!" flüstert es wie im Schlaf, und ich denke "Wir lernen von dir." -- "Oh, das ist gut..." und schon schlief sie wieder.
Das Museum verfügt über eine exzellente Beschriftung seiner Stücke, also: wer war das? Und wen wunderts: Schamanin, 8-9000 Jahre alt.
Allerdings finde ich das Gesicht nur schwer wieder, das man aus ihr rekonstruiert und illustriert hat, der Vorhang vor ihrem Gesicht und die falsche Augenfarbe irritieren mich.
Und dann ist da noch das Original der "Dolmengöttin", an der wir vorbeikamen und sie besuchten, weil wir uns verfahren hatten. Göttin? Was man als Gesicht interpretiert, ist ein Oval, in der Mitte wie durch drei Striche in der Quere geteilt. Wenn das ein Gesicht ist, fresse ich meinen allerbesten Hexenbesen. Nein, das hier ist ein Wegweiser. Ein Stück einer Regenbogenschlange.
Eine Ecke weiter stehe ich fasziniert vor der Installation eines projizierten Feuers, und lese alte Griechische Texte, die Opferriten beschreiben. Die findet man selten genug, ich freue mich darüber wie ein Kind, und der dunkelhaarige Wächter mit dem kleinen Schnautzer lächelt.

Im dritten Stock: gehen mir langsam die Kräfte aus. Die Füße tun mir weh, mein Körper schreit nach Ruhe vor all diesen toten Knochen und Dingen, und als mein Körper zum dritten mal merkwürdige Dinge erlebt, beschließe ich zu gehen. Mir irgendwo eine Bank zu suchen.
Und dann kommt mein Mann, im Schlepptau den dunkelhaarigen Wächter mit dem kleinen Schnautzer, der über beide Backen strahlt. Mein Mann packt mich aufgeregt und schiebt mich in die falsche Richtung. "Da drüben ist sie!!!". "Passen Sie auf, da drinnen ist es dunkel, ich komm der Sicherheit halber mal mit" sagt der Wächter. Mein Mann zerrt mich eher als dass er schiebt, hinein in die Dunkelheit, achtung nicht hinfallen oder wo dagegenrennen. Da schwebt sie, die Himmelsscheibe, die ich längst vergessen hatte. Sie hat keine Frequenz. Sie ist ein reines Werkzeug. Sie wurde nicht mit irgendwas aufgepumpt. Man hat sie beerdigt, als man ihren Besitzer entmachtet hat. In Wirklichkeit hatte er überhaupt keine Macht über die Sonne, die verschwand ohne sein Zutun, und so sehr er sich anstellte, sie kam auch durch ihn nicht zurück.
Der Wächter beginnt zu erzählen und zu erzählen. So viele Jahre hätte er diese Scheibe schon vor der Nase, aber er könne sich immer noch nicht sattsehen daran.

Fünf Stunden sind vorbei, das Museum schließt, ich muss ins Auto und mich setzen, eine Rauchen oder fünf, mein Mann hat Hunger auf Griechisches Essen, ich weniger, aber das macht nichts. Nach dem zweiten geschlossenen bzw. ausgebuchten Griechenrestaurant bleiben wir in einem Asia-Laden hängen, und ich kriege endlich meinen ersehnten SCHNAPPS.

Zurück in der Ferienwohnung packe ich endlich das Symbole-Buch auf, dass mein Mann mir gestern hinterher getragen hat. Das ich nie gekauft habe, weils mir einfach zu teuer war.
Das Eichhörnchen jetzt noch anzuquatschen, das aus dem Buch grinst ohne aufgeschlagen zu sein, ignoriere ich. Ich bin einfach zu platt, und draußen stürmt es wie Sau.

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schön dass du wieder hier bist
bin noch zu blau zu antworten
später...

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welcome to the pleasuredome

schizo und phrenos finden sich wieder
zwei blitze treffen aufeinander
in einer vibrierend aufnahmegeilen hirnpartition
deja vu
ungleichzeitigkeit
phylogenetische schuld meets individualtrauma
im fusionsreaktor
eine kreative sonne entsteht
unendliche heilkräfte
die schwangere fusioniert samen und ei
die hebamme begleitet
und hilft raus
hi baby!

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by ratte (28.03.18, 06:25)
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das wintermärchen doch einfach mal da wirst du vieles von...
by wilhelm peter (10.01.15, 22:30)
den heine zu bringen,
bei diesem text. da muss ich mich räuspern. entschuldigung.
by don papp (10.01.15, 21:18)

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