Freitag, 21. März 2014
HÖHLE KARAIN: Ton, Steine, Scherben.

Irgendwo am Ende der Welt, einige Kilometer von Antalya entfernt, mitten in einer abgelegenen Berggegend zwischen fruchtbaren Feldern und bizarren Felsmassiven versteckt, liegt die Höhle von Karain. Die man freilich finden kann, weil es Wegweiser gibt. Und über die ich ausnahmsweise schon vorher ganz grob weiss, dass man dort nahezu unterbrechungsfrei menschliche Überreste zwischen Neandertaler-Kultur und griechischen Kulten hat finden können. Laut Reiseführer sollte dort ein kleines Museum stehen, und die Begehung nur mit einem Führer möglich sein.
Und dann kam es anders.

Nachdem wir uns wie immer zunächst furchtbar verfahren hatten und so im Hinterland Bergmassive zu Gesicht bekamen die uns schier die Sprache verschlugen, merkwürdige Mauerreste unseren Weg kreuzten die in keinem Führer vermerkt sind, aber älter sein müssen als die Römische Besatzung, fanden wir in einer verlassenen Gegend ein beinahe verlassenes Pförtnerhaus, zahlten unsere 5 TL Eintritt, und wurden dann den Berg hinaufgeschickt, ohne Führer. Einsam kletterten wir erneut wie die Bergziegen den Hang hinauf, immer den Wegmarken nach. Bis es wieder Bäume gab – die einen Höhleneingang versteckten. Und noch einen. Und eine alte Infotafel. Ja, hier hatte es wohl zu anderen Zeiten Touristen gegeben.

So unscheinbar die Höhle von aussen scheint, so grandios eröffnen sich einem dort reliefartig ausgewaschene Decken, Reste von „Vorhängen“ (so nennen sich vorhangartige Tropfsteine), Felssäulen, und je weiter man ins Innere klettert, atemberaubende Hallen mit natürlichen Emporen und Galerien, Podesten und: vom Ruß der Jahrtausende geschwärzten Decken. Die 2,5m hohen „Grabungsschnittsäule“, welche die zuständige Archäologin zu Demonstrationszwecken stehen gelassen hat, ist wegen des Regenwetters mit Planen verhüllt, überhaupt ist es in der Höhle glitschig durch den Regen der letzten Monate. Das Erkunden ist somit eher eine Rutschpartie denn eine Begehung, und ich verfluche meine Lowas, die bei nassen Untergründen auf Fels, Beton, Teer oder im Schlamm wie Schlittschuhe reagieren. Aber ich habe ja Hände und einen gut gepolsterten Hintern. Und ich ärgere mich, den Rucksack im Auto gelassen zu haben, eine Taschenlampe wäre nicht schlecht gewesen.
Noch bis in die letzten Ecken sind die Decken mit Ruß geschwärzt, ich spüre viele Menschen, die hier Ruhe und Zuflucht finden, Lachen, Lächeln, ein leichtes Herz. Es ist, als schwebe man ausserhalb der Zeit und jenseits der Geschichte.
Allein in den äußeren Bereichen und Grotten passiert Handfestes, nur hier ist der Fels bearbeitet, stehen Worte in griechischer Schrift an der Wand, hat man Nischen gemeißelt, und offenbar werden diese Grotten als Ziegenstall verwendet.
Mein Mann, der immerzu merkwürdige Dinge einfach so findet, hat plötzlich Feuerstein-Klingen in der Hand, nein, keine Reste oder Abschläge, sondern Klingen. Ich sehe mir das an, ein Meissel wie ich ihn im Museum in Antalya gesehen habe, 7000 BC. Und es dauert nicht lange, bis ich im Schutt vor der Höhle Keramik finde... sie muss alt sein, sehr alt, hier wurde keine Töpferscheibe verwendet und trägt ein gesticheltes Musterband. Unter einem Baum finde ich weitere Keramikreste (diesmal eindeutig mit Töpferscheibe hergestellt), die wirken wie deponiert. Ich beschließe, unsere Funde aus dem Schutt vor der Höhle einfach dazuzulegen.

Nach dem Abstieg fragen wir nach dem „Museum“, aber man sagt uns, dass alle Stücke vor ein paar Jahren nach Antalya gekommen sind. Erneut denke ich „die Funde müssen dorthin, wo sie hingehören... sonst gehen sie verloren für die Geschichte, die sie erzählen.“

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Ich muss ma eben dementieren:Ich lese immer "verfahren", von wegen - Der Weg is das Ziel ;-)

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by wilhelm peter (10.01.15, 22:30)
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bei diesem text. da muss ich mich räuspern. entschuldigung.
by don papp (10.01.15, 21:18)

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