Exkursion in die Vergangenheit, Teil 1.
"Und neulich war sogar ein Schamane oder sowas da, und hat so Rituale abgehalten..." sagte die Dame an der Kasse, die ich anhand der Doku-Fotos eindeutig als eine der Personen identifizieren konnte, welche die Kreisgrabenanlage von Goseck rekonstruieren half.
Und ich denke: so viele Schamanen oder sowas gibts gar nicht auf der Welt, die das dort geschehene Unrecht wieder gut machen könnten. Aber vielleicht hilft´s ja doch? Ich weiss es nicht.
Ich hatte von der Kreisgrabenanlage schon gehört und gelesen, allerdings zu einem Zeitpunkt, als man sie gerade frisch ans Tageslicht befördert hatte. Nachdem mittlerweile aber viel Wasser den Main, die Thüringische Saale (und ich betone: die "Thüringische", weil, es gibt auch eine "Fränkische Saale") und die Unstrut hinabgeflossen ist, steht der Rekonstruktionsbau in voller Pracht und Blüte mitten in der Landschaft.
Ich weiss nicht, wie viele Kreisgrabenanlagen, Keltenschanzen, Hügel- und Großsteingräber ich schon besucht und dort merkwürdiges über mich ergehen lassen habe, aber zum ersten Mal erlebte ich ein Szenario, wie ich es nur in sehr schwacher Form nur von den Externsteinen kannte (ein paar verzweifelte Selbstmörder und halbnackte sehr flinke Kletterer etc.). Ich mit meinem merkwürdigen "Boden-Radar-Gestell" von Körper, das als "Karma-Surfer" beständig irgendwie zur Hälfte in einer anderen Dimension pappt und so die Beschreibungen der ägyptischen Totenbücher hin und wieder mal leibhaftig miterlebt, bin ja so einiges gewohnt. Aber was ich dort erlebte, übertraf alles Bisherige.
Ich sah die Tötung von Tieren, Unmengen Blut, allerdings von schwarzen Rindviechern, die Sklaven gehörten, die man Menschen nicht nur wegnahm sondern ihnen im Namen der wiederkehrenden Sonne mehr oder weniger stahl, und diesen Menschen so ihre Lebensgrundlage nahm, jede Chance auf Nahrung und Zukunft. Sklaven hatten diese Anlage erbaut, geknechtete, gequälte Menschen, zur Sühne, und am Schlimmsten traf es den ersten Dieb aus Hunger, der zerstückelt als Fundamentsopfer hatte dienen dürfen. Ich horte einen Mann sprechen "Ich bin der Mittler zu den Sternen, und ich kann euch die Sonne nehmen, wie es mir beliebt, wenn ihr nicht tut, was ich sage." -- und die blanke Angst herrschte. Das Begehen der Anlage schlug mich fast zu Boden, wie ein Hammer drückte ein bleiernes Gewicht auf meinem Kopf, ich musste mich regelrecht gegen eine Wand stemmen, um überhaupt vorwärts zu kommen. Erst nach dem Verlassen des inneren Kreises spürte ich etwas abseits das Grab eines verhungerten jungen Menschen, vielleicht eines Kindes? Und erst im Umgang gab es Frieden. Im Umgang war alles gut, ich bekam wieder Luft, und mein Schädel wollte auch nicht mehr explodieren.
Was war hier passiert!? Habe ich einen Dachschaden, fragte ich mich, und sagte man nicht, dass die "Neolithische Revolution" des Ackerbaus der Segen der Menschheit gewesen sei? Sklaven? Menschen, die ihre Macht derart missbrauchten, dass sie einfach so andere Menschen töten konnten? Dieser Mann, diese Stimme, die ich so deutlich hören, spüren und fassen konnte als hätte ich die Worte selbst ausgesprochen, war kein Schamane. Diese Geilheit auf Macht, diese Freude darüber, Andere wie Marionetten "lenken" zu können... ich war schlicht entsetzt.
Als ich anschließend im Auto saß, stand ich wie unter Schock. Mir war speiübel. Und war glücklich, nicht selbst fahren zu müssen und eine Sitzheizung anschalten zu können. Ich beneidete meinen Partner, der mit diesen Empfindungen und Erlebnissen nicht leben muss. Aber damit nicht genug.
Jemand wie ich geht ja ständig mit der Frage durchs Leben, ob man nicht einfach nur einen an der Klatsche hat. Und wenn nicht, warum das dann so sein muss. Und sucht fieberhaft nach den Grabungsberichten.
Im nahen Infozentrum starrte er mir dann entgegen, der Grabungsplan. Stieropfer. Eine Hand und andere Körperteile, u.a. im Pfostengraben. Etwas diagonal versetzt das Grab eines Kindes. Mein "Radar" funktionierte also korrekt. Kein Grund, am Rest zu zweifeln. Und freilich: wissenschaftlich unhaltbar. Aber ich habe ja kein Problem mit der Wissenschaft, wenn, hat sie eins mit mir.
Und was die Archäologie zur Verifizierung oder Widerlegung meines Erlebten sagen würde, wusste ich an diesem Tag noch nicht. Mir war klar, dass der Ackerbau nicht unbedingt zur Glückseligkeit des Menschen beigetragen haben mag, aber dass es derart schlimm sein könnte, hätte ich mir in meinen schlimmsten Träumen nicht ausgemalt.
Zumal gerade ein Ort wie Goseck mit dem Nimbus des Heiligen, des Fruchtbaren, des Guten assoziiert wird (auch wenn die Wissenschaftler das so nicht sagen, der unbedarfte Leser nimmt das einfach an, sobald irgendwo das Wort "Kult" oder "Religion" auftaucht).
Ein Ort wie dieser sollte erkannt werden als Mahnmal... an Orten wie diesen begannen Menschen, sich gegenseitig zu versklaven, zu quälen, zu töten, zu missbrauchen, alles im Namen der Sonne, von der man nun abhängig war, denn das Jagen hatte man längst verlernt. Von was hätten sie auch leben sollen, wenn nicht vom Acker? Hilflose Kreaturen. In Unkenntnis abhängig. Verzweifelt. Und: viele. Ein Ort wie dieser ist nicht anders zu beschreiben als "innerster Kreis der Hölle".
Und auf meiner Reise war das: erst der Anfang.