Donnerstag, 13. März 2014
SILLYON: Berg ohne Wiederkehr.

Wer gern klettert und sich durch dichtes Gestrüpp über Steinbrocken hinwegbewegt wie eine Bergziege, und es mag immerzu Gefahr zu laufen in ein Getreidesilo- oder Zisternenloch zu plummsen, ist in Sillyon, einer zerfallenen Stadt auf einem Tafelberg (!) am richtigen Ort. Nur regnen sollte es nicht, sonst liegt man glitschigerweise schneller auf der Nase, als einem lieb ist. Und nachdem der Berg weder touristisch noch archäologisch ansatzweise erschlossen ist, sollte man dort echten Abenteuergeist mitbringen. Und eine gewisse Schwindelfreiheit, denn ein Teil der Stadt ist in den 60ern in die Tiefe gestürzt, und es gibt nichts, was einen selbst am Runterfallen hindern könnte. Und ein Problem mit Ziegenkacke sollte man auch nicht haben, denn der Berg wird zwar nicht mehr von Menschen bewohnt, dient aber Ziegenherden aus der Umgebung als prima Futterort. Und Schildkröten. Denn dort oben macht sich eine Flora breit, die unbeschreiblich schön und vielfältig ist.

Ich für meinen Teil bin hier wieder mit dem nahezu zwanghaften Gedanken unterwegs, all diese Pflanzen zu sammeln, zu zeichnen, zu bestimmen. Zwischen Ruinen, denen man die "Bauperioden" ansieht, und mich auch historisch beinahe überfordern. Immerzu stelle ich mir vor wie es wäre, dieses riesige Ding von Ruinenstadt wieder aufzubauen. Was getan werden müsste, dieses Areal begehbar zu machen, sodass man wenigstens mit normalen Schuhen herumlaufen kann, ohne sich den Hals zu brechen oder von Dornenbüschen völlig verkratzt zu werden.
Ich entdecke Terazzo-Böden (römisch), unter denen Terrakotta-Fliesenböden (griechisch) liegen, Bruchstücke von uralter, zartblaugrün lasierter Keramik, T. findet Mosaikfragmente zwischen Blumen und Schotter. Lässt man sowas liegen? Nimmt man sowas mit und trägt es ins nächstbeste Museum? Ich bin der Meinung: liegenlassen. Zu viele Missverständnisse könnten aufkommen, und die türkische Polizei macht penetrant Ernst mit Artefaktenjägern.
Ich entdecke Säulenreste in seldschukische zerfallene Neubauten vermauert, Schicht über Schicht, und weil mich das Gesamte irgendwann überfordert mit meiner 5-fachen Wahrnehmung, frage ich den Genius-Loci einfach, warum ich hier bin.

"Es darf nicht wieder aufgebaut werden, denn dieser Ort ist dazu bestimmt, die Geschichte zu erzählen wie sie unabwendbar ist: der Mensch geht weiter und immer weiter, und lernt nichts dabei, wenn er nicht auch sieht, wie vergänglich alles ist. Das habe ich (?ich?) mit diesem Ort begründet, und so soll es auch bleiben."
Aha.
Nein, kein für Andere unsichtbarer Geist begleitete mich, er trug keinen Namen, ich fragte nicht danach, er sagte ihn nicht von sich aus, es war, als würde mir der Wind diese Worte sagen.

In den Ruinen ist ein gewisser Gigantismus durchaus nach wie vor sichtbar, ein Meer aus Marmor und Basalt, und es dauert rund 4 Stunden, das Plateau zu umrunden. Das hat schon was. Es ist ein Bisschen wie das Wühlen im Müll, der aus Schätzen besteht, nur, dass man das alles nicht einpacken und mitnehmen möchte weil etwas zu sperrig. Also zeichne ich. Und merke dabei, dass das eine andere Nummer ist als Architekturzeichnen, denn die Sträucher und Bäume, in die jene Ruinen eingebettet sind, rauben mir den Nerv. Ein Quader zeichnet sich schnell im Vergleich zu einem Busch oder Baum im Frühling (wenig Blätter), der sich hell vor einem solchen Quader breitmacht. Mist auch, denke ich die ganze Zeit, jetzt weiss ich, was ich die letzten Jahre öfter hätte tun sollen: Gebüsch zeichnen üben, das dauert mir zu lange und sieht ganz furchtbar aus (blöderweise bemerkt das ausser mir wieder keiner).

Zurück im Hotel tue ich zwei Dinge: Nachlesen was zur Geschichte von Aspendos im Reiseführer steht (Tatsache: die Seldschuken waren die letzten Herrscher durch Eroberung), und was zur Stadt Sillyon notiert ist. Demnach wurde die Stadt gegründet von einem legendären griechischen Seher.

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by ratte (22.03.18, 07:28)
denken ist nicht degoutant lies
das wintermärchen doch einfach mal da wirst du vieles von...
by wilhelm peter (10.01.15, 22:30)
den heine zu bringen,
bei diesem text. da muss ich mich räuspern. entschuldigung.
by don papp (10.01.15, 21:18)

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