Medium.
Neulich kam mir: "die Vervielfältigung ist im Prinzip der schleichende Tod der Kunst".
Ist vermutlich ziemlicher Quatsch, aber mir kam der Unterschied zwischen reinen Massenmedien und der Höhlenmalerei. Die Vorstellung allein, dass ein Buch nicht mehr gedruckt, sondern nur per handschriftlicher Abschrift verbreitet werden könnte, ist ein irgendwie bekloppter Gedanke.
Aber: wie viele miese Bücher würden nicht geschrieben werden, wenn man sie nicht kaufen könnte, sondern tatsächlich abschreiben müsste? Wohin wollte man dann mit all den arbeitslosen Verlegern und Verlagsmanagern? Und was würde aus der klassischen Unterhaltungsliteratur werden, vor der man uns warnt, seit sie existiert?
Und man stelle sich vor, es gäbe Musik nur noch vom Musiker... oder via selbstgeschraubter Hausmusik. Nein, mich wollen meine Kinder auch nicht singen hören. Aber man stelle sich vor, Musik gäb es tatsächlich nur noch gegen Barzahlung. Nicht mehr geklaut aus dem Internet oder von einem dicken Verlag gekauft. Einmal 20 Euro geblecht, 500 mal gehört, das ist relativ billig im Gegensatz zum Lebensunterhalt eines Musikers, würde dieser 1 Jahr lang durchspielen.
Jede Kunst hat zu jeder Zeit einen "Markt" gehabt, und seine Handwerker. Aber es ist schon ein Unterschied ob man Handwerker ist oder Produzent für einen Massenmarkt, der dafür sorgt, dass nur die grosse Zahl der Kopien, an denen dann auch noch Gott wer weiss wer mitverdient, sich überhaupt rentiert um einen Lebensunterhalt zu finanzieren.
Künstler sind Handwerker, als solcher sehe auch ich mich. Auch wenn man unter "Handwerk" heute kaum noch eine Kunst versteht. Die sie aber nach wie vor ist. Sieht man einem leidenschaftlichen Fliesenleger zu, kann man neidisch werden auf solche Fähigkeiten.
Mein Großvater, gewerblicher Holzbildhauer, spezialisiert auf Möbeldekorationen, war vielleicht kein Philosoph, aber er hatte so eine ganz spezielle Art, Holz anzufassen. Als könnte er durch seine Hände das Holz "hören" und eine Verbindung mit diesem Material eingehen.
Ich sah einmal dem E-Bassisten einer Coverband beim Spielen zu, und auch da fiel mir auf, dass es das Instrument nicht einfach spielte, sondern umgekehrt, das Instrument spielte ihn und er spielte zurück, eine Einheit von Mensch und Material quasi. Ich hörte Karan beim Singen zu, und musste heulen wie ein Schlosshund.
Und ich hatte xfache Abbildungen der wenigen erhaltenen Fresken von Cimabue (dem Lehrer Giottos) gesehen, doch als ich einst vor den Originalen stand, zog es mir beinahe die Schuhe aus. Ähnlich den Dingen, die ich mit den Original-Fresken von Michelangelo erlebte oder den Wandfresken auf der Insel Reichenau.
Das ist Handwerk. Und nur DAS.
Der Künstler ist der Handwerker, der es vermag, Mensch und Universum zu verbinden, er IST das Medium. Nicht die cool abgemischte CD, nicht der 4-Farb-Print, nicht das schnell geschriebene Buch, nicht der effektvolle Film.
In der Kopie geht diese Verbindung zwischen Mensch und Universum verloren, notgedrungen, denn hier ist das Medium nur der Träger selbst, nicht der Mensch, der das Werk erschafft.
Und im Übrigen ist das ein erstmal sehr frustrierender Gedanke für mich als Comiczeichner -- denn Comics werden grundsätzlich gedruckt, und speziell für den Druck produziert. Aber es bringt mir auch den Gedanken nach vorne: das Medium zu überwinden versuchen.
Im Design hab ich das immer mal wieder hinbekommen, wenn Kunden das toleriert haben. Die Ergebnisse sind dann meist n büschn auffällig, und Gott und die Welt fängt das Kopieren an. So gab es mal den Trend, Wände zu lasieren. Oder es gab einen grundlegenden Wandel im Eiskarten-Design. Ist beides auf meinem Mist gewachsen. Gibt es in ein paar Jahren einen neuen speziellen Dada-Grafik-Trend, ist das dann wieder passiert.
Aber ob ich das auch im Comiczeichnen hinbekomme, steht auf einem ganz anderen Blatt.