Dienstag, 29. Oktober 2013
Mannis Fest: der Frauen-Comic-Buch-Laden.

Jedesmal, wenn ich den Comic-Dealer meines Vertrauens besuche, komme ich mir vor wie ein Alien (und jedes Mal, wenn ich das CF betrete, um was zu schreiben). Denn die Zeiten sind vorbei, in denen Hermke Eibach mein Gesicht wieder erkannte, die 20jährige, die nicht nur eine Facharbeit über Seripieris "Morbus Gravis" schrieb, sondern ein paar Jahre auch in Ermangelung eines Milionen-Film-Budgets eben einen 76-Seiten starken "Utopischen Comic-Roman" zeichnete und ein Exemplar auf Bitte im Laden hinterlegte.
Heute betrete ich diesen Laden -- wie jeden anderen Comicbuchladen auch -- und habe immer wieder das Gefühl, in einer Superhelden-Fanclubhöhle zu stehen, angegafft von männlichen Kunden wie ein Rudel Chicken-Mäc-Naggets mit doppelt Mayo im Bioladen. Es ist so eine Mischung aus verbotener Neugier und schlichter Fremdheit. Und es kostet mich in allen Comicläden dieser Welt echte Überwindung, so nett und hilfsbereit die Verkäufer auch sind. Es liegt nicht an den Verkäufern, sondern an den Fans, den männlichen Lesern.
Den Superhelden-Rollenspieler-Fantasy-Fans aus "Big Bang Theory". Also kleinen Jungs in Männerkörpern.

Sehr viel schräger war die Erfahrung in einem Sex-Shop (den es leider nicht mehr gibt), in dem ich regelmäßig mit der Besitzerin die Comic-Ecke durchwühlte (die Dame kannte sich mit den Dingern aus!), die beklagte "Naja, es gibt ja nur diesen Hardcore-Kram, ich empfehle aber dann eher die SM-Bücher, die sind wenigstens anständig gezeichnet und nicht ganz so platt." und sich dann versuchte aus ihrer Häkelarbeit zu entwirren, die den halben Tresen belagerte.
Versucht man aber "Erotik" an einen entsprechenden Verlag zu verkaufen, als Zeichner, soll man gesagt bekommen, dass sich Erotik nicht verkaufen ließe, nur Hardcore jeder Form hätte überhaupt einen Markt.
Dabei weiss auch der Markt wie der ein oder andere Buch-Verlag offenbar nicht recht, was der Unterschied ist zwischen Erotik und Porno, geschweige denn Hardcore. Und die Porno-Industrie postuliert "je einfacher produziert, desto realistischer, da identifizieren sich die Kunden stärker mit, deswegen verkauft sich das besser" -- dabei weiss jeder dammiche Zeichner, dass es die Abstraktion ist, die Nähe schafft, und dass es der perfekte Realismus ist, der genau jene Nähe vermeidet, der einen in die Welt der Phantasie und der Emotion bombt ohne dass man es will.

Das einzige, was die Sex-Industrie geschnallt hat, ist, dass es vor allem Frauen sind, die Spielzeug kaufen -- und dass es gerne mal sehr bunt daherkommen darf, und keinesfalls "naturgetreu" sein sollte, das empfinden wir Mädels nämlich gern mal als "eklig". Weil eine Nummer ZU realistisch und irgendwie zu sehr "porn". Bei Madame hat Sex offenbar dann doch eine ganze Menge mehr mit dem Kopf zu tun, als mann so annimmt, wenn mann Teil der Industrie ist.
Der Sex-Shop selbst ist ansatzweise rehabilitiert, seit er sich den Damen und ihren Bedürfnissen anpasst. Man kann da reingehen als Mädel und kommt lebendig wieder raus, manchmal sogar ohne Würgreflex.
Ähnliches wünsche ich mir vom Comic-Markt.
Erwachsenwerden und sich den Bedürfnissen von uns Mädels anpassen, die weit öfter "Lady Snowblood" gerne lesen als gedacht.

Ich wünsche mir einen Comic-Buchladen, in dem es keine Superhelden gibt, keine Fantasy-Rollenspiel-Figürchen, und nebenbei auch noch was anderes als Asterix und Obelix. Ich wünsche mir Comics, wie sie die Mädels in meinen Kursen zeichnen: eine kaltblütig-bekloppte Arielle-Meerfrau, Schafe und Ziegen die Wanderer fressen, Erlkönige, die der Vater des später Toten Kindes sind und eine knallende Affäre mit dem Eheweib des Vaters aus dem Gedicht, Superhelden die Windeln wechseln, rollige Pferde, transmutierende Unterwasserwesen die als Helden über ihre eigenen Füße fallen, und von mir aus auch schwangere Jungfrauen auf dem Weg zum Papstjob auf 400-Euro-Basis. Und selbst der Wälzer "Heute ist der letzte Tag vom Rest deines Lebens" von Uli Lust finde ich spannender als die "Watchmen". Schon, weils irgendwie meiner eigenen Lebensgeschichte nicht so ganz unähnlich ist. Das Ding ist ein Zeitdokument weiblichen Alltags in den 80ern.
Ich hab nix gegen hin und wieder mal einen "Thorgal" oder einen "XIII" (aus der Leihbücherei), aber ich gebe zu, dass mich die "X-Men" irgendwann gelangweilt haben, diese ewigen Neverending-Stories ohne Anfang (Band 1,3 und 9 sind ja meistens vergriffen). Das Zeug kriegt man an jedem besseren Bahnhof. Aber frage ich nach "Zoo" ist der leider ausverkauft, spreche ich von "Unterm Hakenkreuz", ernte ich eine gekräuselte Stirn. Ich LESE die Bücher von Wolfgang Hohlbein schon nicht, wieso soll ich da die Comicadaptionen kaufen? Ich bin ein MÄDCHEN, ich brauche was fürs HIRN denke ich dann immer. Ich will den IQ einer Story nicht jedesmal unter muskelverschwollenen Superkerlen suchen müssen, die super im Abfeuern von Laserkanonen sind. Ich will EROTIK und BLUT!

Gestern habe ich mich dann daran erinnert, dass ich in Düsseldorf einen Lieblings-Buchladen hatte. Ein wenig zu spät bemerkte ich, dass es sich dabei um einen "Frauen-Buchladen" handelte. Dort bekam ich alles, was mein Hirn sich wünschte: tolle Sachbücher, noch bessere Fachliteratur zu Anthropologie, Soziologie, Philosophie, intelligente Jugendbücher, Romane von Anne Rice (die ich allerdings immer nur verschenkt habe), alles, was das Herz begehrte, und immer ein gutes Gespräch zur Exegese der Literaturforschung.

Sowas hätte ich auch gerne in Sachen Comics: anständige Zeichner, gute Stories, ein Bisschen Single-Malt, Schokolade und Hannah Arendt. Oder is das schon wieder zu viel verlangt?

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by ratte (28.03.18, 06:25)
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by sakana (22.03.18, 17:05)
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by ratte (22.03.18, 07:28)
denken ist nicht degoutant lies
das wintermärchen doch einfach mal da wirst du vieles von...
by wilhelm peter (10.01.15, 22:30)
den heine zu bringen,
bei diesem text. da muss ich mich räuspern. entschuldigung.
by don papp (10.01.15, 21:18)

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