Freitag, 25. Februar 2011
Die Guttenberg-Pizza

Worin eigentlich besteht der Unterschied zwischen dem ungefragten, unerlaubten und unbezahlten Herunterladen eines meisterhaften Fotos aus dem Internet zum Schmuck für den eigenen missratenen Flyer (man kann halt doch nicht, was man mit Photoshop könnte) und einer ungesetzten Fussnote?
Ich nehme mir etwas, das mir nicht gehört und tu' so, als wäre es meins. Mit dem Bild erklaue ich mir wirtschaftlichen Erfolg (wenn ich das wirklich kann, was ich auf dem Flyer könnte), mitohne die Fußnote erklaue ich mir eine Würde, die mir nicht zusteht.
Es gibt weniges auf dieser Welt, das so eigen zu seinem Schöpfer gehört wie das Geistige. Und weniges tut dem Schöpfer geistiger Dinge so weh, als wenn er sie als Leistung eines Anderen mit ansehen muss. Da tut es kaum etwas zur Sache, ob dieses Geistige ins Materiale überspringt wie bei einem Gemälde, einem Buch oder dem Design für eine Webseite, oder ob es ewig geistig bleibt wie ein gesprochener Gedanke (geht das denn überhaupt anders?), den ich gehört und im nächsten Gespräch als meinen ausgebe.
Es ist eine Form von Versklavung, die jemand da betreibt, wenn er sich der existentiellen Mitte eines anderen räuberisch bedient - möglichst noch, ohne ihn vorher zu fragen.
Ich habe das selbst durchlebt und durchlitten, als einer meiner Kunden - ja, ich bin tatsächlich ein Lektor im richtigen Leben - im Verlauf der Auftragsabwicklung versuchte, mich zum Ghostwriter für seine Dissertation umzufunktionieren. Seine Vorlage war schlecht, wäre nicht einmal als Seminararbeit durchgegangen. Ich hingegen hätte das Opus mit Leichtigkeit schreiben können, denn es war mein Leib-und-Magen-Thema: ich erkannte sofort die notwendige Argumentationsstruktur. Aber ich spürte, wie mir mit jedem Wort die Hand zäher und der Füllhalter schwerer wurde. Ich war dabei, meine persönliche wissenschaftliche Leidenschaft (sowas gibt's: KANT verstehen (!) ist wie tantrischer Sex) in etwas zu setzen und für sehr schlechtes Geld wegzugeben. Das tat weh. Das tat höllisch weh, es tat so weh, dass ich den Auftrag wieder zurückgab - wortlos. Ich verschwand, bevor ich verschwunden worden wäre: unter dem Doktortitel eines Anderen, der nicht denken konnte und niemals einen Doktortitel verdient hätte.
Was hier geschieht, ist kein Spaß.
Allerdings sind es nicht nur die von/zu Guttenbergs, denen dafür alles Greifbare langgezogen gehört: es ist J e d e r, der sich am von Anderen Gemachten vergreift, um es sich an die eigene Brust zu heften.
J e d e r !!! - Auch der Pizzabäcker, der sich die Logos aus dem WWW klaut. Der heißt zwar nicht Guttenberg, aber er gesellt sich lustvoll dazu.

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last updated: 23.02.20, 04:41
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by sakana (22.03.18, 17:05)
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das wintermärchen doch einfach mal da wirst du vieles von...
by wilhelm peter (10.01.15, 22:30)
den heine zu bringen,
bei diesem text. da muss ich mich räuspern. entschuldigung.
by don papp (10.01.15, 21:18)

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