Montag, 27. September 2010
Kunst auf Rampe.

...und nun ein Text, für den mich der ein oder andere wieder steinigen wird:
ich hab die Nase voll von Kunst-Definitionen.
Seit ich denken kann, versucht die Welt, den Kunstbegriff wie einen Pudding an die Wand zu nageln, und schafft es dann doch nicht. Weil sie eben ein Pudding ist, den man versucht an die Wand zu nageln.

Ich hab das Nageln irgendwann aufgegeben, und ess den Pudding lieber. Landet zwar auf den Hüften, aber was soll ich mit Hüften, die sich unterwerfen.
Weil mir irgendwann der Verdacht kam, dass der Versuch, etwas zu definieren, nur dazu führt, dass man ihn reguliert, was wiederum dafür sorgt, dass er neu definiert werden muss, was erneut dafür sorgt, dass er reguliert wird und so weiter. Der Tod der Kunst beginnt also da, wo die Definiton einschreitet, und das Herz zu schweigen beginnt. Notgedrungen.

Erfährt man das Kunstschaffen als Prozess, dann merkt aber auch der Zuseher schnell, dass es einen Unterschied gibt zwischen Albernheit und echtem Tiefgang. Woher der genau kommt, versteht meinetwegen der Zuseher nicht allzu schnell, aber er fühlt ihn.
Aus dieser Beobachtung heraus muss ich nun sprechen: der Prozess des Kunstschaffens hängt mit dem "Flow" zusammen, dem Zustand, in dem es nur das Material, nur das Ding, nur das Thema, nur Ton-Bilder, nur das Ding vor der eigenen Nase gibt und das Ego des Schaffenden sich ins Nirvana verabschiedet. Das Ego, der Wunsch nach Perfektion, die Technik selbst, spielt in diesem Zustand soviel Rolle wie ein hart gekochtes Hühnerei für den Zustand der Volltrunkenheit an Wochenenden bei Kriegsdienst-Leistern, die, weil sie vergessen haben ihren Dienstausweis einzustecken, vor den Augen des Wachpersonals unter der Schranke hindurchrobben, um ins Bett zu kommen.
Wurschtet man aber so im "Flow" vor sich hin, so ganz ohne Ego und doppelten Boden, sind letzten Endes auch die Ergebnisse anders: Blümchen, Herzchen und orale Muster verschwinden, die Form nimmt die Funktion einer Geschichte an, Töne reduzieren sich auf den Untergrund der Himmelschöre, und schwingen wie magische Wellen im Stakkato durch Reste von Farbtöpfen.
In dem Moment, in dem Nutzen und Technik über dem Flow steht, ist es vorbei mit der Kunst.
Aber DAS zu definieren, ist so unmöglich, wie die Tiefe des Göttlichen zu definieren. DAS kann man auch als Zuseher nur spüren.

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Maieutik - die Weisheit des Nicht-Wissens

"Bevor Du von etwas redest, bestimme den Gegenstand" - der (gute alte) Sokrates hat diese Diskursregel in seinem relativ unlangen Leben aufgestellt, um dem Besserwissen und Klugscheißen ein würdig Ende zu bereiten. Man hat ihn dafür nicht geliebt, sondern der Gottlosigkeit bezichtigt und standrechtlich vergiftet. Das ist ein menschlich-allzumenschliches Verhalten, denn wer den anderen vorhält, welchen Blödsinn sie mit ihren Wörtern verzapfen, macht sich unbeliebt, zumal, wenn er ihnen die Blödsinnigkeit ihres Blödsinns sichtbar macht. - Wer schaut schon gern der eigenen Blödheit ins Gesicht?
Dennoch hat Sokrates damit nicht mehr, allerdings auch weniger nicht als der Forderung Geltung verschafft, Gesprochenes müsse eine Bedeutung übermitteln; ansonsten handle es sich um Gewäsch - Hintergrundrauschen.
Wer Bedeutung schafft, der definiert. Ohne Definition also geht es nicht, vor allem nicht beim Benutzen von Sprache. Zu behaupten, die Definition von irgendetwas sei prinzipiell unmöglich, der verurteilt sich selbst und alle anderen zur Sprachlosigkeit.
Nun sind die wenigsten Dinge wirklich so einfach - und das heißt: so einfach zu begreifen - wie sie es sich zu Anfang gerne machen. Deshalb sei an dieser Stelle der Satz eines von Sokrates Landsmännern zitiert, der die Komplexität in den Begriff bringt: panta rhei: "alles fließt". Die Dinge sind nicht (mehr), was sie waren, und werden nicht bleiben, was sie sind. Veränderung bestimmt also das Wesen. - Ein Wesenszug, dem sich die deutsche Sprache mit Vehemenz und ohne Erfolg entgegenzustellen versucht, und damit ein Problem denen schafft, die ihr als Werkzeug der Verständigung ausgeliefert sind. Wer deutsch spricht und also deutsch denkt, hat ein Problem mit dem Prozess, mit der Veränderung: er vermag nur das Bewegungslose, das Kristalline zu erfassen und zu kommunizieren. Das ist aber kein Problem der Dinge, äußert sich also auch nícht als prinzipielle Undefinierbarkeit, sondern ein Problem der Sprache - also eines des Umgangs mit Definitionen.
Definitionen bestimmen Bedeutungen, sie erlauben also, zu verstehen. Nur ein ausgedörrter Seinsphilosoph oder jemand, der nicht verstanden hat, wie Naturwissenschaften arbeiten, leistet es sich, Definitionen als etwas Unumstößliches zu verehren, in ihnen die "Wahrheit" kristallisiert zu haben: das können nur die Götter. Nein, wer definiert, hat verstanden und muss dann erklären, was. Es kann sich dabei möglicherweise auch um Nichts handeln. Denn, und auch hier lohnt die Umarmung des Vergifteten, nicht alles, was gesprochen wird, ist gleich auch Definition, also Sprachform von Verstandenem. Dem hat der Grieche weise die "Meinung" entgegengestellt: das Missverstehen aufgrund ungenauen Hinsehens und entsprechend voreiligen Sprechens. "Dummlall" nannte man das zu meiner Schulzeit.
Dem zur Prophylaxe hat Sokrates eine Methode entdeckt und zeitlebens weiterentwickelt: das methodische Nerven. Man fragt solange immer wieder nach, bis jemand endlich herausrückt mit dem, was er meint, oder feststellt, dass er das gar nicht meint, was er sagt, und daraufhin etwas anderes sagt. Man drängt solange zum immer wieder Hinschauen, bis sich die Augen öffnen.
Dabei kommen selten Definitionen heraus vom Typ eines mathematischen Satzes oder einer Gleichung. Das "ist gleich" ist der Feind jeden Verstehens und jeder Definition im Sinne verstehenden Panta Rhei. Das Richtige und das Falsche stehen friedlich beieinander und werden geschieden, indem man von dem spricht, was man erkennt - mit den organischen Sinnen ebenso wie mit dem Geist, der daraus eine Welt erschafft und immer über sie hinausgreift. Der "Letzte Satz", das "basta - und so isses!" kommt in derlei Definieren nicht vor, denn es führt den Dummlall ein. "Falsch" ist das, was nicht erkannt werden kann: reine Theorie abseits jeder Wirklichkeit.
Definitionen können auch das Nicht-Verstehen ausdrücken - auch das ist erlaubt und bedeutet etwas völlig Anderes als die Unmöglichkeit, einen Sachverhalt zu definieren. "Gott ist der vollkommen Andere" ist eine solche Definition: sie drückt die Erfahrung aus, dass das Göttliche als Wirklichkeit erfahren wird, dass diese Wirklichkeit jedoch sich allem entzieht, was man als logisch, vernünftig, begreifbar usw. kennengelernt hat. Es ist etwas Richtiges über Gott ausgesagt, ohne ihm eine eiserne Käseglocke überzustülpen, unter der er nicht mehr hervorkommen, genausowenig aber wahrgenommen werden kann.
Von letzterer Sorte sind die "Dummlall-Definitionen": sie behaupten einfach, verbieten jedoch den beobachtenden Zugang ihrer Zuhörer zum Definierten.
Welches Problem sich damit für die Kunst stellt, dat nehm' wer de nächste Stunde durch

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die frage-frage-frage-technik hat nich sokrates erfunden, sondern der hat sich das unter garantie von kindern abgeguckt. die machen das nämlich so. :)

wann kommt denn nächste stunde?

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das wintermärchen doch einfach mal da wirst du vieles von...
by wilhelm peter (10.01.15, 22:30)
den heine zu bringen,
bei diesem text. da muss ich mich räuspern. entschuldigung.
by don papp (10.01.15, 21:18)

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