Freitag, 19. März 2010
Valéry und der sterbende Schwan.

Wieso kleben Soziologen, Kulturkritiker und ähnliche Geistesarbeiter immer so nah am Rand des Gefühls einer Sinnlosigkeit? "Erkenntnis bringt nichts", postuliert Paul Valéry, nachdem er die Sinnlosigkeit seines Schaffens begriffen hat.
Menschen sterben, Kulturen sterben, und nichts ist von Dauer. Im Sterben werden Ideen, Ideologien, Glaubensgrundsätze derart beliebig und diffus, dass sich Denker gegenseitig gebären und gegenseitig zu Felde ziehen wie Katholiken und Protestanten und den heiligen Krieg um das rechte Christentum führen.

Nebenbei dünkt es mir jetzt und hier, den Laptop auf den Schenkeln, den Hintern auf dem sandfarbenen von einem Kind mit Edding-Comics verzierten hässlichen Velours-Sofa, dass man das Denken um des Denkens willen besser bleiben lässt. Valéry schreibt wie ein wütender, deppressiver Wolf über die Sinnlosigkeit des Glaubens an den Sinn von Bestand, Kultur und Geistesblüte. Als hätte er gerade entdeckt, dass der Mensch, selbst wenn er berühmt und tot ist, stirbt, verschwindet, vergänglich ist; und damit all seine Werke.
"Kunst ist beständiger Wandel" prangt mir vom Werbeprospekt eines Künstlerbedarfs-Fachhandels entgegen. Und ich wette, die Höhlenmalerei, alle Petroglyphen der "Vorzeit", haben nur deswegen Bestand, weil sie irgendwann vergessen wurden. Was zum Henker wüsste der Mensch über sich selbst, wenn er nicht genügend Zeugnisse seiner kulturellen Tode hätte? Wenn er nicht genügend Rätsel zu knacken hätte die das Graben nach Troja oder dem Tempel Salomos eben so mit sich bringen?
Der Mensch strebt nach Unsterblichkeit, blendet das Sterben aus wie das ungeliebte Kind für das man sich schämt, und muss sich gleichzeitig mit dem Verfall derer auseinandersetzen, die es ganz anders gesehen haben: dass das Leben aus dem Kompost des Zerfalls entsteht.

Ein bisschen vor-christliche nord-europäische Weltanschauung würde den Herren Kulturkritikern ganz gut zu Gesichte stehen, denke ich dann. Und nicht nur denen.
Die Welt geht unter, also hoch die Tassen. Walhal is nix für Anti-Age-Wellness-Fetischisten.

... Comment

 
online for 8134 Days
last updated: 23.02.20, 04:41
status
Youre not logged in ... Login
menu
... home
... topics
... Home
... Tags


... antville home
November 2024
So.Mo.Di.Mi.Do.Fr.Sa.
12
3456789
10111213141516
17181920212223
24252627282930
März
recent
das ist das Leben. Es
besteht aus einer Ansammlung von Verlusten, mit denen man...
by ratte (28.03.18, 06:25)
Das ist ganz schön
deprimierend.
by sakana (22.03.18, 17:05)
Interessant. Nun sitz ich da
mit meinem frisch und ungewaschenen Hals, und wundere mich über...
by ratte (22.03.18, 07:28)
denken ist nicht degoutant lies
das wintermärchen doch einfach mal da wirst du vieles von...
by wilhelm peter (10.01.15, 22:30)
den heine zu bringen,
bei diesem text. da muss ich mich räuspern. entschuldigung.
by don papp (10.01.15, 21:18)

RSS Feed

Made with Antville
powered by
Helma Object Publisher