Donnerstag, 22. Oktober 2009
Globale Erwärmung.

Das Ich liegt im Frosterfach, und wartet auf die globale Erwärmung.
Das kann man wörtlich nehmen.

Ein großes Ganzes, so meine Vermutung, funktioniert nur, wenn die Individualität eines Menschen respektiert wird. Nur wer sich selbst ein Stück weit dienen kann (indem er nicht tut, was er nicht kann oder will zB.), wer sich selbst respektiert, kann Anderen dienen und sie respektieren (oben = unten).
Funktionieren Dinge wie "Solidarität" nicht, mag das daran liegen, dass das Individuum ein Problem mit sich selbst hat, und sich deswegen auf die eine oder andere Art in den Vordergrund spielen muss, "um geliebt zu werden".
(Ein Vorwurf den ich gut kenne, denn immerhin schreibe ich öffentlich, obwohl ich immer noch nicht weiss warum, obwohl ich diesen Blog seit etwa 7 Jahren vollmülle. Mit Anerkennung hat es jedenfalls nichts zu tun.)
Selbst was man den Kreativen immer so gern vorwirft, sie spielten sich auf, weil sie Anerkennung suchen, ist relativ. Was das Medium TV angeht, mag das stimmen. Was "youtube" angeht, ebenso. Die Web-Gemeinde ist offenbar ein grandioser Spielplatz für Selbstdarsteller. Aber untersucht man das Wesen der Kreativität genauer, dann fällt einem nur auf, dass es sich um Menschen handelt, die nur nebenbei Rampensau sind, hauptsächlich aber Eremiten im Sinne des Bohrens nach den Wahrheiten und Dokumenten menschlicher Abgründe und Höhenflüge unter Benutzung von Sprache, Tönen, Bildern, Strukturen. Das ist nur zu bewerkstelligen, wenn man als Indviduum sein Ich ins Frosterfach schiebt. Denn das Ich sehnt sich nach Geborgenheit, nach Sicherheit, nach Anerkennung. Kreative ernten nichts von alldem, das wissen sie spätestens seit VanGogh. Der Wunsch nach Geborgenheit etc. wird verdrängt, weil die Geborgenheit, die Sicherheit etc. einlullend wirkt. Kein Mensch kann in die Abgründe und Höhenflüge der Welt eintauchen, wenn er sich in Sicherheit befindet, denn jene menschlichen Extremata sind gefährlich, wie das Denken an sich gefährlich, ab und an tödlich ist. Die Büchse der Pandora ist die Hoffnung auf Besserung, Sicherheit, Fortschritt, die Erlösung, denn die kommt nicht.
Leben ist nicht zu haben ohne Tod. Die Welt würde stille stehen.

Das stellt die Frage nach dem Individuum. Ist das Individuum ein Irgendwas, das sein Ich geliebt haben will? Das sein Ich in die trockenen Tücher des Beamtenstatus packt? Oder ist das Individuum nicht eher etwas, das sich dem Ganzen derart unterordnet und den Schmerz der Existenz erträgt, wie es seinen gottgegebenen Talenten entspricht? Und wenn das so wäre, wer will dann darüber urteilen, welches Talent von Wert ist, und welches nicht, wer will denn überhaupt den Wert des WERTES definieren? Wozu gibt uns Gott denn Talente, wenn sie nichts "wert" sind? Sind Einige von uns wertvoller als Andere?
Mit dem Wort "Individuum" wird in der aktuellen Debatte um Bildung hausiert, als wäre es an sich ein Geld-Wert, was er einfach nicht ist. Schizophrenie ist auch nichts anderes als die Auswirkung der Ambivalenz, wenn man Talent X fördert, gleichzeitig aber Talent X für sittenwidrig erklärt, weil es nicht "sicher genug" ist, den "Lebensunterhalt" zu bestreiten. Das meint nicht ein spezielles Talent, sondern die Ambivalenz schlechthin, denn in einigen Kulturen ist es durchaus üblich, schon das Abweichen von der Beamten-Norm als sittenwidrig zu klassifizieren (was für alle Talente zutrifft, die nicht im elementaren Erdkreis der Kontrolle und Kalkulation zu finden sind).

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Ehrlich gesagt halte ich das Bild des gequälten Kreativen (der auch noch am Hungertuch nagt) für einen Mythos der Gesellschaft, die sich mit dem Hochhalten dieses fragwürdigen Ideals um ihre eigene Verantwortung gegenüber ihrer Kultur und denen, die sie schaffen, zu drücken versucht.

Innere Abgründigkeiten sind durchaus unabhängig von Sicherheit und Geborgenheit im Außen.
Der Schmerz der Existenz ist auch spürbar, wenn die Heizung läuft, der Kühlschrank gut gefüllt ist und das Konto schwarze Zahlen zeigt.

Nur geben das die allerwenigsten Menschen zu.

Vielleicht ist das auch der Grund, weswegen die Kreativen da in eine Stellvertreterfunktion gedrängt werden und die Qual einer prekären Existenz als vermeintliche Ursache nicht nur akzeptiert sondern sogar schon eingefordert wird.

Das Dasein selbst macht fassungslos, unabhängig von seinen jeweiligen Umständen. Kreative Menschen sind diejenigen, die diese Tatsache "fassen", in Formen bringen, sichtbar oder hörbar machen.

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Guter Punkt.

Der Wunsch nach Geborgenheit etc. wird verdrängt, weil die Geborgenheit, die Sicherheit etc. einlullend wirkt.

Natürlich ist das Bild vom darbenden, leidenden Künstler eher ein Mythos, wenn nicht gar ein Märchen, den man sich gerne reinzieht, wenn man sich als Nicht-Kreativer gern an dessen Stelle setzt. Reicht schon als Rechtfertigung. Drückt die Kosten.
Frage nach den Verhältnismäßigkeiten, denn niemand friert oder hungert gerne. Was ich eigentlich meinte, ist die Frage nach dem Idealismus im Kreativen, also das temporäre Hintenanstellen von finanziellem Wohlergehen. Welchen Sinn würde es machen, mit dem Beruf des Künstlers kein Geld verdienen zu wollen.
Ohne das Risiko ins kalte Wasser zu springen und es zu wagen, die Sicherheit mal für einen Moment fahren zu lassen, gibt es keine Innovation, nur das Wiederholen des Existenten, und damit auch einen Verlust des Abenteuers, das man Leben nennt. Auch als Leser, Hörer, Betrachter, Nutzer.

Das Problem ist nur, dass die Kreativen nur dann auch kreativ sind, wenn man sie nicht in die Maschine einer Hierarchie packt. In die Hierarchie passen die "Ich-will"-Typen deutlich besser, als die "Sein"-Typen. Letztere denken zu viel, hinterfragen zuviel, und dann sind sie notgedrungen Selbständig. In der Geschichte kennt man dieses Profil von den Hexen, die durch ihr Anders-Sein eine Gesellschaft zusammenhielten. Zum einen, weil man in Kriesenzeiten einen Sündenbock hatte, zum Anderen, weil sie heilen konnten, einen Streit schlichten, Probleme lösen. Der Glaube oder die Forderung nach dem "leidenden Kreativen" ist also der Wunschtraum einer Gesellschaft, die schlicht einen Sündenbock braucht.
Was diese Gesellschaft dann aber immer wieder vergisst, ist der reflektierte Blick auf die Geschichte -- denn das Eliminieren der Hexen hatte zur Folge, dass sie völlig auseinander fiel, weil eben niemand mehr da war, der heilte, schlichtete und eingriff. An Stelle der Hexen kamen Priester, die nicht ansatzweise Probleme lösen konnten, vor allem nicht die der Frauen.

Der Kreative passt nunmal in den Kosmos der Normailät, hat er nie, und wird er nie. Man hat vor ihm Angst, weil er nicht steuerbar ist, und man bewundert ihn, weil er Dinge kann, die andere nicht können. Früher hatte man vor sowas Respekt, als Aussenseiter war man geschützt durch den "Segen Gottes", und damit unantastbar. Und das ist heute ein bisschen anders, denn der Respekt kommt nur, wenn der Kreative genug Geld verdient. Er wird also nicht an dem gemessen, was er kann, sondern wie gut er damit verdient, ergo, wie gut er sich selbst verkauft, eine Eigenschaft, die eigentlich eine zutiefst "bürgerliche" ist. Klappt beim Kreativen nur, wenn er keinen Dachschaden hat. :)

Grad lief auf MTV Marylin Manson, bestes Beispiel für Kreativknödel, (uhh... ich lieb den...), weil er sich selbst zum Produkt macht, was ihm die Freiheit zur Kunst freischaufelt. Produktgehoppel ist ein Beinahe-Garant für Absatzchancen. Der Aussenseiter vertreibt das Produkt "Aussenseiter" für jene, die eine Aus-Zeit brauchen.

Was mich jetzt wieder auf ganz blöde Gedanken bringt...

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