Freitag, 14. März 2014
MUSEUM ANTALYA: Navi und Mehrsalz.

Nachdem wir uns vor ein paar Tagen ganz grandios in Antalya verfahren hatten, auf der Suche nach "dem" Museum, einer Wechselstube, einer Toilette (das war nach der Perge-Exkursion), mieteten wir uns ein Navigationsgerät. Denn der Verkehr ist in Antalya für den Aussertürkischen nicht zu beherrschen. Man braucht einfach zu lange, um die Straßenkarte zu lesen. Weil in der Türkischen Sprache, in dieser Region hört sie sich eher an wie Ungarisch, gefühlte 60 Buchstaben pro Silbe verwendet. Ohne Navi hätten wir das Museum nie und nimmer gefunden, auch, weil es schon wieder in Strömen goss.

Ganz nahe am Meer liegt das Museum, beinahe wie Nizza kommt einem das vor, wenn man sich besseres Wetter denkt.
Der Unterschied ist, dass es für Atatürk, den Gründer des Staates wie des Museums, nicht einfach gewesen sein muss, dieses Museum in die Welt zu setzen, wie man aus der Erinnerungsecke ersehen kann, wenn man zwischen den Zeilen liest. Erinnert mich architektonisch irgendwie an ein Schulgebäude aus den 60ern. Das Kulturerbe und die Archäologie schienen Atatürks Herzensangelegenheiten gewesen zu sein. Nachdem ich die komplette Entstehungsgeschichte gelesen habe, bekomme ich einen Hauch von Ahnung, was dieser Mann geleistet hat, und dass es höchst verehrungswürdig ist.
Die grobe Idee des "einem traditionellen Bauernstaat klarmachen, dass er eine Geschichte hat" schwingt an der einen oder anderen Ecke noch zart durch die Ausstellungen, hier sind in der Tat die Artefakte nicht einfach in die Vitrine geklatscht, sondern nach einem bestimmten Muster geordnet, der mit Menschheitsgeschichte und Verwendungszweck der Stücke verknüpft ist. Leider ist die Beschriftung nicht gut, wenig erfährt man über die konkreten Fundorte und den Fundumstand. Besser ist die Beschreibung, wie die Stücke eigentlich hergestellt wurden.

Man lernt aber nicht nur etwas über das Neolithikum und die Zeit danach, sondern es wird umfassend über die Ausgräber berichtet. Denn wirklich gegraben wird in der Türkei erst seit den späten 40er-Jahren, und die ersten Archäologen wurden in Ermangelung eigener Fakultäten von Atatürk höchstpersönlich nach Deutschland geschickt, um dort zu lernen. Insofern wundert es nicht, dass unter all den Namen und Gesichtern nur eine Frau zu finden ist, und, dass sich eine Menge Deutsche darunter tummeln. Speziell die Dame, die die Höhle in Karain "übernommen" hat verfügt über eine beeindruckende Biografie und beeindruckende Ergebnisse.
Und was in den Archiven dieses Museums noch so an Stücken herumliegt, will ich erst gar nicht wissen, es würde vermutlich Kilometer von Glasvitrinen füllen. Witzig auch: um zu demonstrieren wie griechische Keramiken zu gewissen Zeiten anderorts ausgesehen haben, hängt da ein Foto von einer Vase oder Schale aus: Würzburg. Aus jener Sammlung in der Residenz, ausgebuddelt auf der Festung, deren beste Stücke den Luftangriff im 2.WK nicht überlebt haben.

Der größte Teil der Ausstellung beschäftigst sich allerdings mit den Skulpturen aus Perge, Aspendos und den Bodenfliesen aus Seleukia. Figuren, wie sich sie schon zu hunderten in München und Berlin gesehen habe, in Florenz und Rom. Alle Stücke stammen aus dem 3.Jh.v.Chr., insofern bin ich nur verwundert, die Nemesis extrem häufig zu finden und diverse römische Kaiser mal bekleidet, mal splitterfasernackt vor der Nase zu haben. Nein, Kaiser Hadrian samt Gehänge wollte ich nie naggisch sehen, aber nu isses halt passiert.
Auffällig, wenn man genauer hinblickt ist, dass all die monumentalen Marmorstatuen nur diesen griechisch-römischen Stil tragen, bis auf ein paar unspektakuläre Stücke derselben Zeit, die seltsam einfach, seltsam abstrakt, seltsam symbolisch-einfach-bildarm daherkommen, und ausnahmsweise wohl von Einheimischen für Einheimische geschaffen wurden. Und so ist das einzig wirklich "aufgeladene", für mich sehr deutlich fühlbare Gegenstand ein ein einfacher Sarkophag mit groben Schilden dekoriert, der Sarg eines Kriegers oder Helden ohne Namen.

Im Prinzip ist das Museum nicht groß, nicht spektakulär, und mindestens Perge sollte man vorher besucht haben, um zu kapieren, wo diese Masse an Skulpturen herkommt.
Und vielleicht sollte man auch wissen, wer die Nemesis ist, um die "Blüte" (und den Niedergang) gewisser Besatzer in der türkischen Geschichte ansatzweise begreifen zu können, von denen es mehr als genug gibt.

p.s. Seleukia fehlt am Ende dieser Exkursionsreise -- dort waren wir im letzten Jahr. Beeindruckend: dort liegen Bodenmosaikreste nicht nur mitten im Wald, sondern die Legende eines "heiligen Baumes" ist dort noch nicht verschwunden. Dort stolpert man über wilde Grabugslöcher genauso wie ungesicherte wie gesicherte Kanalisationslöcher. Mit Flip-Flops war die Begehung damals für mich nicht ganz so einfach. Damals stellte ich mir erstmals die Frage, warum man hier, mitten am Ende der Welt, jenseits von Wasser und Acker, eine Stadt angelegt hatte.

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by ratte (28.03.18, 06:25)
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by sakana (22.03.18, 17:05)
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by ratte (22.03.18, 07:28)
denken ist nicht degoutant lies
das wintermärchen doch einfach mal da wirst du vieles von...
by wilhelm peter (10.01.15, 22:30)
den heine zu bringen,
bei diesem text. da muss ich mich räuspern. entschuldigung.
by don papp (10.01.15, 21:18)

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