Dienstag, 14. Januar 2014
Deutsche Version.

Dass so manches Buch über schlechte oder gar falsche Übersetzungen stolpert, ist dem erfahrenen Leser eigentlich nichts Neues. Und nein, ich meine ausnahmsweise mal nicht die Bibel, nicht einmal die Bibel der Zeugen Jehovas, die direkt aus dem Englischen in 365 Sprachen übersetzt wird, und daher die aktuellste und genaueste.
Was das Gedruckte betrifft, betrifft aber auch den Film.

Vor Jahren stolperte ich über die Verfilmung von Shakespeares´ "Der Widerspenstigen Zähmung" von Zefirelli, allerdings in der englisch-sprachigen Originalfassung. Liz Taylor und Richard Burton in einem Screwball-Prügelwerk der Extraklasse. Und weil mein Süsser Shakespeare-Verfilmungen sammelt wie andere Männer das Kicker-Magazin, den Film aber nicht kannte, dachte ich, naiv wie ich halt bin: mensch, den leihste dir jetzt mal aus. Und guckst dir die sychronisierte Fassung an, weil dein Süsser Untertitel-Filme nicht so leiden kann.
Und dann kam das Desaster.

Richard Burton war in einer Tour am hämisch-gackern, das Manifest für die Ehrlichkeit der Liebe wurde zu einem Manifest für die Unterwerfung der Ehefrau, und vom Witz des ganzen Stückes blieb: nichts. Ich begann an meiner Wahrnehmung zu zweifeln, und starrte nur ungläubig auf den Fernseher, während mein Süsser in einer Tour maulte "was ist das denn für ein lanhmer Mist?!".
Ich war entsetzt. Was war da passiert um himmels Willen?

Nun: Probe auf´s Exempel.
Nachdem DVDs ja mehrere Tonspuren haben, und man sie wahlweise mit X Untertiteln gucken kann, starteten wir den Film neu. Auf Englisch. Deutscher Untertitel. Und oh Wunder: Das Gegacker fehlte, der Wortwitz existierte wieder, aber das schlimmste: sogar meinem nur rudimentär englisch sprechenden Süssen fiel nach 5 Minuten auf, dass die Hälfte des Films: falsch übersetzt war.
"Der hat doch grad was ganz anderes gesagt als da unten steht!" wunderte er sich.

Mich wundert es also nicht, dass die Zefirelli-Verfilmung der "Widerspenstigen" kaum einer kennt.
Was ich aber für äußerst fragwürdig halte, ist die Nummer mit der falschen Übersetzung für die auch noch miserable Sychronisation (Richard Burton gackert in der Tat nicht), und ich frage mich ernsthaft, ob uns dies noch in anderen und wie vielen Filmen zugemutet wird. Denn interessanterweise gibt es Filme wie eine Version des "Don Quixote", der in der deutschen Version ganze Passagen schlicht fehlen, erkennbar an der fehlenden Synchronisation. Im englischen Original gibt ein Häftling zu, Kinder missbraucht zu haben – in der deutschen Fassung freilich sagt er das nur auf Englisch. Mitten in der Szene (dass ganze Szenen dem Schnitt aus Zeitgründen zum Opfer fallen ist ja nichts aussergewöhnliches, aber dass nur ein Satz gestrichen wird – und auch noch ein so merkwürdiger – stimmt mich doch nachdenklich). Nur so zum Beispiel. Man bekommt den Eindruck, das Thema Ehrlichkeit in Gefühlsdingen wie das Thema Kindesmissbrauch dürfe dem deutschen Zuseher nicht zugemutet werden, als wäre es ein Tabu, das Eine wie das Andere, da es sich um potenzielle die heilige Leit-Kultur zersetztende Dinge handeln könnte.
Wie viele Bücher und Filme sind diesem Phänomen noch zum Opfer gefallen (abgesehen von "Harry Potter")?

Wozu brauchen wir eine "Zensur", wenn die schon in der Übersetzung ansetzt? Man muss nur mal überlegen, dass die deutsche (Geistes-)Wissenschaft nichts liest und anerkennt, was nicht übersetzt ist (ich musste mir lange blöde Sprüche anhören, weil ich englische Fachbücher las, ganz nach dem Motto "aber kannst du das denn überhaupt verstehen?"). Das hat sicher auch so seine Gründe.
Aber ich frag jetzt mal lieber nicht, welche.

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by ratte (22.03.18, 07:28)
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das wintermärchen doch einfach mal da wirst du vieles von...
by wilhelm peter (10.01.15, 22:30)
den heine zu bringen,
bei diesem text. da muss ich mich räuspern. entschuldigung.
by don papp (10.01.15, 21:18)

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